Diamant

von Andreas Brandhorst.

DiamantAndreas Brandhorst war mir bisher hauptsächlich als ausgezeichneter Übersetzer diverser Romane aufgefallen, hier vor allem der sehr schwer zu übersetzenden Scheibenweltbücher von Terry Pratchett. Der Heyne Verlag hat Brandhorst nun die Gelegenheit gegeben, seine eigene Space Opera zu schreiben. "Diamant" ist der erste Teil einer geplanten Trilogie, der zweite Teil "Metamorph" steht bereits in den Startlöchern und soll im Januar 2005 erscheinen.

Andreas Brandhorst führt in "Diamant" den Leser mehr als 2500 Jahre in die Zukunft. Nach einem verheerenden temporalen Krieg, der etliche Raumzeitanomalien zurückgelassen hat, hat sich die Menscheit weit über das Sonnensystem hinaus ausgedehnt. Dies war jedoch nur mit der Hilfe zweier außerirdischer Rassen, der insektoiden Kantaki sowie der Horgh, möglich, die als einzige überlichtschnelle Raumschiffe besitzen und das Geheimnis ihrer Technologie streng behüten. Der von Menschen besiedelte Weltraum wird von zwei Wirtschaftskonglomeraten, dem Konsortium und der Allianz, zu der auch die Erde gehört, beherrscht. Herrscher des mächtigen Konsortiums ist Rungard Avar Valdorian. Und er hat ein Problem. Er befindet sich im Sterben. Die medizinischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft, weitere lebensverlängernde Maßnahmen versprechen keinen Erfolg mehr. Ihm bleiben somit nur noch einige Wochen. Valdorian sieht aber eine letzte Möglichkeit: er muß seine ehemalige Geliebte wiederfinden. Sie hat Valdorian vor mehr als hundert Jahren verlassen, um als ausgewählte menschliche Pilotin, mit einer besonderen Gabe ausgestattet, an Bord eines Kantakischiffes das Universum zu bereisen. Während Valdorian in all der Zeit das Konsortium regierte und täglich älter wurde, leben Kantakipiloten außerhalb des gewohnten Zeitstroms und altern praktisch nicht. Ist das Valdorians Rettung? Er macht sich auf die Suche nach seiner lange verlorenen Geliebten, die mittlerweile schlicht "Diamant" genannt wird und schreckt dabei vor keinem Mittel zurück, sein Ziel zu erreichen. Valdorian riskiert sogar die Vernichtung des Konsortiums als er sich angesichts des nahenden Todes in einen übereilten Krieg mit der Allianz stürzt. Vom eigenen Sohn schließlich verraten bleibt Valdorian am Ende nur noch sein loyaler Sekretär, mit dem er gemeinsam sein letztes Ziel verfolgt: die Kantakipilotin Diamant zu finden und dem Tod zu entrinnen…

Andreas Brandhorst hat in seine Weltraumoper sehr viel Mühle gesteckt, die reichhaltige fiktive Geschichte seines Universum ist nicht nur in einer umfangreichen Zeittafel am Ende des Buches nachzulesen, viel ausführlicher gestaltet sich es noch auf seiner Homepage www.kantaki.de auf der der Autor im Forum sehr sympathisch auch persönlich auf Leserfragen antwortet.

Vergleiche mit berühmten englischsprachigen Kollegen wie Hamilton (Der Armageddonzyklus) oder Simmons (Hyperion/Endymion) drängen sich auf. Brandhorsts Kantakiuniversum kann da allerdings noch nicht ganz mithalten, vor allem weil Brandhorst, angesichts der gewaltigen Zeitspanne von 2500 Jahren, die Menschheit doch recht unverändert zeigt. Philosophische Exkurse wie bei Simmons und weitreichend neue Gesellschaftstrukturen und technischer Wagemut wie bei Hamilton fehlen. Brandhorst zeigt sich in der Hinsicht eher bodenständig: auch in 2500 Jahren reicht die natürliche Lebensspanne des Menschen nur knapp an die 150 Jahre heran, lebensverlängernde Maßnahmen sind kostspielig und kompliziert, technologische und genetische Veränderungen am Menschen gibt es offenbar nur wenige. Was aber natürlich auch den Vorteil bringt, daß Brandhorsts Figuren dem heutigen Alltagsmenschen um einiges näher sind, als solche, die per Cyberimplantate und Genmanipulation entrückter erscheinen.

Brandhorsts große Stärke ist, daß er sich trotz der galaktischen Ausmaße einer Space Opera, inklusive planetenzerstörender Raumschiffe, auf seine Charaktere konzentriert. Er versucht ihre Motivationen und Gefühle zu erkunden, weshalb die Geschichte stets glaubwürdig und nachvollziehbar erscheint. Vor allem der komplexe Charakter des Valdorian, der mit seiner Skrupellosigkeit und seinem Egoismus nicht immer gerade sympathische Züge trägt, ist Brandhorst sehr gut gelungen. Dazu gibt es noch mysteriöse Außerirdische mit ganz zeigenen Motivationen, noch sehr viel mysteriösere in Nullzeit gefangene Temporale, die subtil versuchen nach dem verloreren Zeitkrieg die Kontrolle über das Universum zurückzuerlangen und genug geheimnisvolle Andeutungen und offene Fäden in der Handlung, die das Warten auf den zweiten Teil der Saga doch schmerzhaft lang machen, immerhin zeigt sich Heyne hier sehr zügig, da die Wartezeit auf "Metamorph" insgesamt nur knapp acht Monate betragen hat, wenn der zweite Teil im Januar in die Buchläden kommt.

Andreas Brandhorsts Weltraumsaga ist unterhaltsame und durchweg spannende Lektüre für den SF-Fan hierzulande. Es tut auch mal sehr gut, deutschsprachige SF zu lesen und zu sehen, daß es nicht immer nur importierter SF bedarf. Wenn Andreas Brandhorst jetzt noch etwas mutiger wird und ein paar mehr Visionen in die nächsten Teile seiner Space Opera verpackt, kann er sich auch international messen. Es ist jedenfalls lobenswert, daß ein großer Verlag wie Heyne das Wagnis eingeht und deutschen SF-Autoren wie Andreas Brandhorst oder H.D. Klein eine echte Chance gibt. Und wer weiß, vielleicht wird man dann bald bei Andreas Brandhorst nicht mehr sofort an den Übersetzer von Terry Pratchett denken. "Diamant" ist jedenfalls ein guter Schritt dahin.

[geschrieben von Thomas]

 

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