Der Armageddon Zyklus (The Night's Dawn Trilogy)

von Peter F. Hamilton.

In der Science Fiction hat das Genre der Weltraumoper bzw. Space Opera eine lange Tradition. Mit dem Aufkommen des Cyberpunks und anderer neuer Strömungen rückten die großformatigen Weltraumepen um galaktische Rätsel, phantastischer Technik und bunten Aliens aber zunehmend in den Hintergrund.

Doch in den letzten Jahren gab es eine Renaissance der Space Opera. Gutes Beispiel hierfür ist "The Night's Dawn Trilogy" des Briten Peter F. Hamilton, die beim Bastei-Verlag in "Der Armageddon Zyklus" umbetitelt und, wie leider hierzulande oft üblich, auf ganze sechs Bände verteilt wurde.

Hamiltons Weltraumepos scheut sich nicht vor großen, visionären Themen. Wir befinden uns 600 Jahre in der Zukunft und der Leser begleitet eine Gruppe von Kolonisten auf eine neue Welt. Nach einem etwas gemächlichen Beginn kommt es auf dem Kolonieplaneten zur Katastrophe: eine Zufallsbegegnung mit einer fremden Lebensform führt dazu, daß das Gewebe der Raumzeit zwischen unserem Universum und einer Paralleldimension zerreißt und den dort hausenden Lebensformen Zugang zu unserem Universum verschafft - indem sie Besitz von Menschen ergreifen.

Was man zuerst für eine gefährliche Art von Energievirus hält, entpuppt sich recht schnell als ein wahr gewordener Alptraum, der die Grundfeste der Menschheit erschüttert. Bei den Lebensformen, die sich daran machen, zuerst den Kolonieplaneten und schließlich den Rest des von Menschen bewohnten Teil der Galaxis zu erobern, handelt es sich um die Seelen verstorbener Menschen, die danach dürsten endlich wieder leben zu dürfen…

Dieses Szenario bildet das Grundgerüst für Hamiltons Vision einer Menschheit, die in 600 Jahren einen kleinen Teil der Galaxis besiedelt hat. Mehr als 800 Planeten bilden eine Konföderation und die Menschheit selbst hat sich in zwei Gruppen aufgespaltet - die Adamisten und die Edenisten. Die Edenisten haben vor Jahrhunderten einen Teil ihres Genoms verändert und verfügen nun über gewisse telepathische Fähigkeiten. Im Weltall wimmelt es von lebendigen Raumstationen gewaltigen Ausmaßes, die von den Edenisten bewohnt werden. Zwischen den Sternen kreuzen dazu zum einen die rein mechanischen Schiffe der Adamisten und zum anderen die lebendigen Raumschiffe der Edenisten die mit ihren Kapitänen eine geistige Verbindung eingehen.

Hamilton entwickelt zu Beginn der Trilogie zahlreiche parallel verlaufende Handlungsstränge, neben den Ereignissen auf dem Kolonieplaneten wird man Zeuge der Geburt eines Raumschiffes, man begleitet einen jungen, draufgängerischen Raumschiffkapitän - und späteren Haupthelden - bei seinen Abenteuern in den Ruinen einer vor jahrtausenden urplötzlich untergegangenen Rasse, deren mysteriöses Verschwinden ganz offenbar im Zusammenhang mit der sich anbahnenen Krise steht.

Hamilton läßt sich viel Zeit, die einzelnen Schauplätze seines Geschehens plastisch zu schildern und die futuristische Technik glaubhaft ins Leben zu rufen. Ganz allmählich laufen dabei die einzelnen Handlungsstränge zusammen und die einzelnen, faszinierenden Rätsel ergeben ein großes Gesamtbild, während alles unerbittlich auf das große Finale zuläuft. Hamilton schafft es dabei, die Spannung fast durchweg auf einem hohen Niveau zu halten, der Leser ist förmlich gezwungen, weiterzulesen und weiterzulesen - was bei knapp 3.700 Seiten in der Originalversion beileibe seine Zeit braucht - um zu erfahren, wie es weitergeht.

"The Nights Dawn Trilogy" bietet dabei alles, was dem SF-Fan zu Herzen geht. Exotische Schauplätze, glaubhafte und atemberaubende Technik, interessante Aliens und ein zentraler Konflikt, der einige religiöse und philosophische Fragen aufwirft. Wie reagiert die Menschheit auf die Tatsache, daß das versprochene Paradies und die verschiedenen religiösen Strömungen anscheinend nicht viel mehr als Irrtümer sind - da doch die Seelen der Toten in einer Paralleldimension dahinsiechen und gierig darauf warten, endlich zurück ins Universum zu geraten? Wie reagiert die Menschheit, wenn wissenschaftlich - und ganz fühlbar - bewiesen ist, daß Menschen tatsächlich eine Seele haben, daß es auch eine Weiterexistenz nach dem Tod gibt - doch scheinbar nicht so, wie es bisher von den Religionen versprochen wurde?

Hamilton schafft es, seinen Epos einem zufriedenstellenden Ende zuzuführen, das den Konflikt auf vorher nicht geahnte Weise auflöst und die offenen Fragen beantwortet. Doch bei aller atemberaubender Szenerie, einem interessanten Konflikt und großer Spannung gibt es bei Hamilton auch einige kleine Schwächen. So geraten die Charaktere angesichts des galaktischen Ausmaßes der Geschichte zunehmend ins Hintertreffen. Die Helden werden mehr von der Geschichte vorangetrieben als daß sie sie voranbringen, ab einem gewissen Zeitpunkt ist die Entwicklung der Charaktere deshalb abgeschlossen und die Ereignisse werden nur ansatzweise noch von den Charakteren reflektiert. Es ist dann dem Leser überlassen, über das Gelesene nachzudenken. Andere Charaktere hingegen werden zuerst aufgebaut, um dann ab einem gewissen Zeitpunkt fast gänzlich zur Bedeutungslosigkeit degradiert zu werden. So konzentriert sich ein großer Teil der Handlung des zweiten Buches (in der deutschen Übersetzung im dritten und vierten Buch) auf die Erfinderin einer Weltuntergangswaffe und der Jagd nach ihr. Sobald dieser Handlungsstrang aufgelöst ist, mutiert die Wissenschaftlerin für den Rest der Geschichte zur Staffage und es scheint, als hätten ihre nicht immer sehr lobenswerten Handlungen zuvor keine Konsequenzen.

Hamilton entwickelt auch einige Nebenschauplätze, die nicht wirklich etwas zur Gesamtgeschichte beitragen und gerade wenn die Spannung zunehmend steigt wirken die Ausflüge zu so manchem Nebenschauplatz überflüssig oder gar ärgerlich und man sieht sich versucht, diese Passagen zu überblättern oder quer zu lesen. Daß man es gefahrlos tun kann, ist das große Manko dieser Nebenhandlungen. Sie tragen kaum etwas zum Verständnis oder zur Entwicklung der eigentlichen Geschichte bei.

Doch diese Schwächen trüben den Lesespaß zum Glück insgesamt nur wenig. Hamiltons "The Night's Dawn Trilogy" ist gespickt mit phantastischen Ideen, grandiosen Schauplätzen und originellen Aliens -umrahmt von einer überaus spannenden Handlung. Die Trilogie wird für so manche schlaflose, weil durchgelesene, Nacht sorgen. Die Verbindung von traditionellen SF-Themen, religiösen Aspekten und einer kleinen Prise Horror ergibt ein Meisterwerk moderner SF-Literatur. Es ist zwar nicht perfekt, doch jeder Liebhaber großer Weltraumepen wird "The Night's Dawn Trilogy" genießen können. Die Bücher sind unbedingt zu empfehlen.

Wer der englischen Sprache mächtig ist, sollte sich übrigens die Originalausgaben besorgen, welche die drei Bände "The Reality Dysfunction", "The Neutronium Alchemist" und "The Naked God" umfassen. Man bekommt alle drei Bücher für ca. 45 Euro, während die deutsche Ausgabe mit ihren sechs, nicht immer sonderlich originell betitelten, Bänden "Die unbekannte Macht", "Fehlfunktion", "Seelengesänge", "Der Neutronium Alchimist", "Die Besessenen" und "Der nackte Gott" insgesamt auf ca. 60 Euro kommt.

[geschrieben von Thomas]

 

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