27. Oktober 2002

Mir geht dieser eine Satz nicht mehr aus dem Kopf: "Ich will Interaktivität."
Gemeint war wohl das spontane und sofortige Reagieren auf fremde und sicher auch eigene Kreativität. Das Miteinanderagieren im Minutentakt. Eine gute Sache - eine schlechte vielleicht auch. Ich weiß es nicht, nur:

Ich bin unsicher geworden.

So unsicher, wenn Geschmäcker alleinbestimmend sind über Wert oder Unwert eines Bildes. So unsicher, wenn darüber diskutiert wird, was denn nun Kunst sei und was nicht. Letztendlich interessiert es mich nicht, wenn ich vor meiner Staffelei sitze. Warum also, denke ich darüber nach? Weil Interaktivität auch für mich wichtig ist?

Noch vor ein paar Jahren war es das nicht. Ich ließ die Welt außen vor und schuf meine eigene. Es wurde lebensnotwendig und sicher habe ich mich oftmals darin verloren.
Bis jemand all das sah.

Träume als Randnotizen, Sand von einem weit entfernten Meer auf Papier, getrocknete Goldherbstblätter auf gebrannten Ton und - Bilder.
Er war nicht begeistert, aber auch nicht abgewandt. Es war so, als ob jemand ein fremdes Land zum ersten Mal sieht und neugierig war auf mehr.

Und dieses Mehr sollte ich geben.
Ein Wunsch außerhalb meiner Welt, der mir befremdlich vorkam.

Als ich begann, ihn für mich vertrauter zu machen, warteten da nicht nur Erlernen und Umgang mit neuen Medien, sondern auch eine Falle, in die ich blindlings hineintappte.

Ich lud meine erste "Galerie" im Internet hoch. Ein paar Bilder, ein paar Wortfetzen, nichts eigentliches von mir selbst. Wozu auch? Bilder waren für mich immer das Wesentliche einer Art der Kommunikation, die Emotionen übertragen konnten. Die Geschichten erzählten, die neu entdeckt werden wollten, jedesmal wenn man sie ansah.

Bilder waren für mich auch eine Art der Kommunikation, die ich nur so und nicht anders geben konnte. Und manchmal waren sie einfach nur da, weil sie es selbst wollten - meine Hand, die den Pinsel führte, nur das Werkzeug.

Das Internet ermöglichte es mir, nicht betteln zu müssen, einen Ausstellungsplatz zu bekommen und wenn es auch nur in der hintersten Ecke eines Ladens war. Ich mußte keine Gebühren an Galerien zahlen, brauchte keinen Gönner und keinen Kunstverein. Ich war frei und unabhängig.

Doch bald fühlte ich mich unfrei, weil dieses Medium schnell war.

Zu schnell.

Ein Satz, den wohl jeder kennt, ist der, daß nichts so alt ist wie eine Webseite von gestern. Nur gestern lud ich ein Bild hoch und malte heute, aus dem bald gestern, vorgestern und ... es ging Monate so, daß ich mich selbst unter Druck setzte aus Angst, plötzlich denjenigen zu vermissen, der ein fremdes Land ansah.
Die Falle war zu und meine Webseite ein Uraltrelikt.

Ich löschte sie vom Server und erst zwei Jahre später entwarf ich eine neue Galerie.
Ich war gelassener geworden und ließ mir Zeit. Nicht zuletzt auch mit dem Gedanken, daß ein Bild diese auch braucht.

Mir ist auch bewußt geworden, daß auch bei mir der Wunsch nach Interaktivität da ist. Doch kann man diese auch von einer anderen Seite aus betrachten.

Ich kann jederzeit meinen Rechner starten und mich ins Net einloggen. Zu jeder Zeit kann ich etwas von der mir nicht eigenen Kreativität betrachten, versuchen zu begreifen oder mich einfach daran erfreuen und lasse mir dabei Zeit. Und vielleicht lerne ich so viel mehr von fremden Ländern...


postskript:

das was mir eigen ist, mag fremd klingen für andere
und das ist zweifelsohne besser, als würde's fremd in mir klingen

[geschrieben von gabi]

zurück