09.12.99

Was hat MP3 mit Storyline zu tun? Von dem Hype um MP3-Files hat wohl jeder gehört. Es ist nun möglich, aktuelle Hits in guter Qualität aus dem Internet zu saugen und mit einem tragbaren Player auch unterwegs abzuspielen. Daß die Datenmenge für 1 Minute Musik immer noch etwa 1 MB beträgt und die Download-Zeit ein Vielfaches davon, scheint für Kids nicht so wichtig, bei denen wahrscheinlich Papi die Telefon- und die Online-Kosten bezahlt. Dennoch sieht die Musikindustrie ihre Pfründe in Gefahr.

Ich sehe Parallelen zur Verbreitung von Literatur im Internet, aber auch Unterschiede. Das Internet hat verschiedene neue Möglichkeiten eröffnet, Texte zu veröffentlichen und zu verbreiten. Bei einigen davon arbeiten Verlage eng mit Autoren zusammen, in keinem Falle sieht sich die Verlagsindustrie in ihrem Bestand gefährdet.

Schon seit einigen Jahren versuchen einzelne Autoren, ihre Werke in elektronischer Form an den Leser zu bringen, indem sie Textdateien gegen Bares verschicken. Meist jedoch stellen sie sie kostenlos zur Verfügung, wie es auch bei Storyline geschieht. Aktuell steigen Verlage mit neuen technischen Möglichkeiten in das Geschehen ein. Seit ein paar Wochen kann man Perry-Rhodan-Romanhefte online beziehen und auf seinem Bildschirm lesen. Bezahlen muß man an den Verlag allerdings soviel, wie das Heft auch am Kiosk kostet, dazu kommen die Online-Gebühren.

Storyline hat mit allen diesen Methoden einen Nachteil gemein: Man braucht einen Computer, um die Texte zu lesen. Einen Ausweg soll das E-Book bieten. Dieses Gerät liest Texte in einem speziellen Format ein und stellt sie auf einem flachen integrierten Display dar. Das Ganze sieht aber immer noch sehr wie ein Rechner aus und ist weit von meiner Wunschvorstellung entfernt: ein Gerät mit Seiten, die sich wie Papier anfühlen und umblättern lassen, bei denen sie Buchstaben sich aber aus winzigen drehbar gelagerten schwarz-weißen Kügelchen zusammensetzen, und das reinen Text ebenso wie HTML interpretieren kann. Endlich Geschichten aus dem Netz laden, auf das "Buch" übertragen und sich damit in die gemütliche Ecke zurückziehen können!

Ein weiterer neuer Trend wäre eigentlich auch ohne Internet möglich gewesen: Books on Demand. Ein Autor kann dabei sein Werk in digitaler Form auf Diskette oder über das Internet einem Verlag übermitteln, der sie speichert und bei Bedarf einzelne oder einige wenige Exemplare auf einmal druckt. So ist auch die Herstellung von Kleinstauflagen wirtschaftlich möglich, trotzdem hat der Autor ein richtiges Buch veröffentlicht, in Papierform mit Einband, mit ISBN-Nummer, in jeder Buchhandlung zu bestellen. Der Autor hat volle Gestaltungsfreiheit, allerdings auch volle Verantwortung für das komplette Werk.

Warum gibt es keinen Hype wegen solcher elektronisch verfügbarer Texte? Nun, das Publikum scheint wesentlich weniger zu lesen als Musik zu hören. Es ist allerdings auch wesentlich schwieriger, ein gedrucktes Werk zu digitalisieren und dann als Raubkopie zu verbreiten als einen Musiktitel, und die Motivation dazu scheint auch wesentlich geringer. Daher sehen die Verlage die neuen Möglichkeiten eher als Chance denn als Bedrohung, im Gegensatz zur Musikindustrie. Mögen sie auch für den einen oder anderen Autoren von Storyline eine Chance sein!

Guido

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