© der Geschichte: Claudia Nieuwenhuis. Nicht unerlaubt
vervielfältigen oder anderswo veröffentlichen. Alle Rechte
dieses Werkes liegen bei dem Autor. Diesen Disclaimer bitte
nicht entfernen


Das Vermächtnis des Bannschreibers

Niemand in der Familie hatte Großvater seit langer Zeit gesehen oder wusste, was er in den letzten getan hatte. Seltsamerweise schien es auch niemanden zu interessieren. Noch eigenartiger war sein Haus. Was war nur damit geschehen? Jan Degenhardt staunte. Als er durch das schmiedeeiserne Tor getreten war, hatte es verlassen unter einem bleiernen Himmel dagelegen. Unauffällige graue Wände waren mit dem Hintergrund verschmolzen, und öde Fenster hatten mit stumpfem Blick ins Leere gestarrt. Er hätte schwören können, dass es nur ein Stockwerk besessen hatte, doch jetzt waren es auf einmal fünf Etagen, die über ihm in den Himmel ragten. Staunend glitt sein Blick von der hölzernen Tür über die raue Fassade, kletterte hinauf bis zur Turmspitze, von der aus ein geschwungenes, silbern glänzendes Symbol direkt in den Himmel stach. "Da bist du ja!" drang eine tiefe Stimme an sein Ohr. Jan zuckte zusammen.
"Ha..Hallo" stammelte er verwirrt, als er die hochgewachsene Gestalt mit dem wettergegerbten Gesicht und den strahlenden, wasserblauen Augen im Türrahmen musterte. Schneeweißes, ungekämmtes Haar bedeckte Großvaters Kopf und fiel hinab bis auf seine Schultern. Er trug einen langen Ledermantel, unter dem weiße Turnschuhe hervorblitzten.
"Schön, dass du da bist, Jan. Über drei Jahre sind seit unserem letzten Treffen vergangen."
"Drei Jahre nur? Ich kann mich kaum noch an dich erinnern." Großvater lächelte nur. Dann führte er Jan durch gewundene Gänge und Hallen, in denen weite Treppen strandeten und sich das tausendfache Echo ihrer Schritte von den Wänden widerhallte. Schließlich erreichten sie die Küche. Jan hatte sich dieses Treffen mit seinem Großvater in den letzten Stunden oft in Gedanken ausgemalt, aber keine seiner Vorstellungen stimmte auch nur im Entferntesten mit der Realität überein.

Nach dem Essen saßen sie zusammen im Wohnzimmer. Großvater trank Rotwein aus seinem Glas, in dem sich das warme Licht des Kaminfeuers brach. Das Knacken und Knistern erfüllte den Raum, der angenehm nach Holz roch.
"Warum hat sich das Haus verändert?", brach Jan das Schweigen.
"Weißt du", begann Großvater, "es ist sehr, sehr alt. Die Linie der Erben kann man zurückverfolgen bis 1534, und sie geht wahrscheinlich noch weit darüber hinaus. Dies ist ein ganz besonderes Haus." Er hielt inne und blickte seinem Enkel fest in die Augen. "Jeder, der es aus der Entfernung sieht, der sieht genau das in ihm, was ihn am wenigsten interessiert. Manche sehen eine alte Hütte, andere eine kaputte Ruine... das, was ihnen am wenigsten auffällt. Darum kommt niemand hierher. Erst, wenn man sich auf wenige Meter nähert, verliert der Zauber an Kraft. Das Haus ist ein Geheimnis." flüsterte er.
Gebannt starrte Jan ihn an. Dann fragte er: "Kennen die Leute im Dorf dich denn nicht?"
Großvater lächelte. "Der Zauber dieses Hauses wirkt auch auf mich. Wenn ich durch die Straßen gehe, dann sehen die Menschen in mir jemanden, der sie überhaupt nicht interessiert. Sie erkennen mich nicht, denn sie haben mich schon vergessen, sobald sie mich sehen."
Nachdenklich blickte Jan ihn an. Das Rot der Flammen spiegelte sich in Großvaters Augen und vermischte sich mit dem Blau des Wassers. "Seltsam. Ich habe dich nicht vergessen. Zumindest nicht ganz", fügte Jan nach einer kurzen Pause an.
Das warme Lachen seines Großvaters wuchs in den Raum hinein. "Nein, mein Junge, das gilt ja auch nicht für alle Menschen. Ich kann diese Fähigkeit steuern."
Jan zögerte. "Stimmt, du bist heute Nachmittag plötzlich aufgetaucht, ich hatte dich gar nicht gesehen." Schweigen breitete sich aus, wie eine Welle auf der Oberfläche eines glatten Sees. Nur das flackernde Kaminfeuer tanzte in der Ecke des Raumes. Jan genoss die Wärme und Ruhe, die sein Großvater ausstrahlte. Er war ein seltsamer Mann, aber Jan mochte ihn, weil er anders war als andere Großväter. "Aber, warum?"
Großvater starrte eine Weile ins Leere. Dann räusperte er sich und sagte: "Meine Arbeit ist sehr wichtig, und sie muss geheim bleiben. Nichts und niemand darf wissen wer ich bin und was ich tue."
Aufgeregt rutschte Jan auf seinem Kissen hin und her, während schon die nächste Frage aus ihm heraus sprudelte. "Aber, was passiert denn, wenn jemand etwas über deine Arbeit herausfindet?"
Mit ernster Miene sah Großvater ihn an. "Es könnten Wesen davon erfahren, die grenzenlos böse sind. Wir nennen sie Wesen der Nacht. Viele Menschen, auch du, kennen sie, aber niemand nimmt sie als das wahr, was sie wirklich sind."
Bevor Jan eine weitere Frage stellen konnte, erhob Großvater sich hastig von seinem Sitzkissen. "Ich werde dir morgen mehr erzählen. Du kannst bei mir im Zimmer schlafen, wenn du möchtest."
An Schlafen war jetzt nicht zu denken. Die Vorstellung, dass er diese Wesen kennen sollte, ließ ihn nicht los. Was konnte der alte Mann nur gemeint haben? Aber er war sicher, dass er heute Nacht keine Antwort mehr darauf bekommen würde. Widerwillig folgte er Großvater. Flackernde groteske Nachtwesen wuchsen aus den glatten Steinwänden heran, huschten geisterhaft durch die Flure und schlossen sich ihnen lautlos an, bis sie sich in Nichts auflösten, sobald Jan seine Aufmerksamkeit auf eines richtete. Nur aus den Augenwinkeln konnte er ihre Schattenspiele beobachten, während die verlorene Gestalt seines Großvaters vor ihm durch die dunklen Gänge schwebte.

Mitten in der Nacht schrak Jan auf. Im schwachen Mondlicht, das vom Fenster hereindrang, sah er die offene Tür. Großvater war verschwunden. Plötzlich hellwach sprang er auf, ergriff eine Kerze und lief los in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Nur das Patschen seiner nackten Füße auf dem kalten Steinboden brach die Stille.
Er fand ein Loch in der Wand, das am Abend noch nicht da gewesen war. Ein niedriger Gang tat sich dahinter auf, der nach ein paar Schritten plötzlich endete. Staunend sah Jan sich um. Er stand in einer riesigen, kreisrunden Halle von der Größe einer Kathedrale. Die Luft schmeckte nach uraltem Staub und Spinnenweben. Ein merkwürdig diffuses Leuchten schien direkt aus dem Boden zu kommen und tauchte die Halle in ein silbernes Licht, das sich von allen Seiten über hohe Regale ergoss, bevor es nach wenigen Metern von der Finsternis über ihm verschluckt wurde. Regale wucherten überall. Manche Bretter ragten quer durch den Raum, andere endeten abrupt an einer Stelle und setzten von dort aus ihren Weg schräg nach oben oder unten fort oder wanden sich wie Wendeltreppen spiralförmig in die Höhe.
Jan wurde schwindelig, als er mit den Augen die Regale entlang glitt. Er sah sich tatsächlich dem größten Baum gegenüber, den er je gesehen hatte, nur trug er keine Blätter. Er trat auf ein Brett zu, das sich in einem Bogen um die Gangöffnung rankte. Das Holz fühlte sich warm und lebendig an. Dann erst erblickte er die unzähligen Reihen von Büchern. Einen Moment lang vergaß er zu atmen. Ein eisblaues Schimmern ging von ihnen aus. Einige wenige leuchteten matt, als würde kaltes Feuer sie von innen verzehren. Sie trugen keine Titel.
Jan atmete tief durch und streckte vorsichtig die Hand nach einem besonders hell strahlenden Buch aus. Es war kalt wie Eis. Als er es aus dem Regal nahm, tauchte auf einmal ein Schriftzug auf, der sich in tiefschwarzen, verschlungenen Buchstaben über die Vorderseite rankte. Die Augen der Dunkelheit von Justus Degenhardt stand dort geschrieben. Jan betrachtete das Buch lange. Justus Degenhardt, das konnte kein Zufall sein. Mit angehaltenem Atem schlug er die erste Seite auf. Sie war vergilbt und roch nach hundert Jahre altem Staub.
Das flackernde Licht der Kerze in seiner Hand malte wirre Schatten über die Schriftzeichen, als Jan zu lesen begann. Die Zeit verstrich. Vom ersten Satz an war er tief in die fremde Welt des Buches eingetaucht und sank noch immer tiefer. Plötzlich riss ihn ein heißer Schmerz in seiner linken Hand zurück in die Wirklichkeit. Ein Schrei entfuhr seinen Lippen. Er hatte die Kerze, die zu einem kleinen Stummel heruntergebrannt war, fallen lassen. Gierig fraßen sich die Flammen an den alten Seiten satt und leckten mit ihren heißen Zungen am Einband, bis sie schließlich starben und nichts als den Buchdeckel ohne Titel zurückließen. Ein Grollen erklang in der Ferne, erst kaum hörbar, dann immer lauter werdend, wie von einem herannahenden Gewitter. Ein ohrenbetäubender Donner folgte. Das milchig-graue Licht flackerte. Und dann sah er sie. Eine wunderschöne junge Frau schwebte auf einem roten Teppich auf ihn zu. Sie trug ein weißes Kleid, das ihren schlanken Körper umspielte. Lange glatte Haare, schwarz wie die Nacht fielen offen über ihre Schultern und umrahmten ihr schmales Gesicht. Tiefblaue Seen blickten daraus hervor und ruhten auf ihm. Danke, hörte er sie in seinem Kopf sagen. Ihre Stimme war ein glitzernder Tautropfen auf einer Frühlingswiese im Sonnenschein.
"Wofür danke?" stammelte Jan. Wieder erklang ihre Stimme in seinem Kopf. Du hast mich befreit, nach so vielen Jahren. Dafür danke ich dir. Jan schluckte und leckte sich über die Lippen. Sein Mund war trocken wie die Seiten des alten Buches. "Wer... wer bist du, und wieso warst du gefangen?"
Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Mein Name ist Yara, und ich gehöre zu den Nimué. Unser Ziel ist es, die Menschen vor bösen Geistern zu schützen, die direkt in ihrer Mitte leben. Dein Großvater ist einer dieser Geister.
"Das kann nicht sein!", rief Jan dazwischen. Unwillkürlich blickte er zur gegenüberliegenden Wand. Was er sah, erstaunte ihn. Großvater, der bis vor kurzem dort an einem Schreibtisch gesessen hatte, lief auf ihn zu, doch seine Bewegungen waren viel zu langsam. "Was ist mit ihm?", brachte er atemlos hervor. Zwischen dir und mir verläuft die Zeit schneller als außerhalb. Ich muss dir eine Menge erklären, das bin ich dir als meinem Retter schuldig. Dein Großvater gehört zum Zirkel der Bannschreiber wie auch schon viele seiner - und deiner - Ahnen zuvor. Ihr erklärtes Ziel ist es, Macht über die Welt der Lebenden zu erlangen. Sie manipulieren Menschen, damit diese ihnen dabei helfen. Ist dir vielleicht aufgefallen, dass dein Großvater seltsame Gewohnheiten hat? Dass er vielleicht Menschen meidet, keinen Kontakt zu anderen hat und fast nie sein Haus verlässt, dass niemand wirklich etwas über ihn weiß?
Jan nickte stumm und sah sie aus großen Augen an. Sie arbeiten im Geheimen. Nur die Nimué wissen von ihrem Treiben. Deshalb verfolgen sie uns. Hast du ihr Zeichen auf dem Dach des Hauses gesehen?
Wieder nickte Jan, brachte aber kein Wort hervor. Sein Großvater hatte inzwischen fast die Hälfte der Halle durchquert. Sie nennen es Karima. Es ähnelt einer Schreibfeder wie sie früher verwendet wurde. Die Meister des Zirkels nutzten es damals als Erkennungszeichen. Sie schrieben diese Bücher über Hunderte von Jahren, um böse Wesen in ihnen einzufangen. Jedes handelt von einem guten Wesen, das in die Fänge des Bösen gerät. Sobald ein Buch fertig gestellt ist, lebt das böse Wesen in ihm fort. Dann bemühen sich die Bannschreiber, Kopien des Buches in allen Teilen der Welt zu veröffentlichen, denn in jeder Kopie lebt ein Teil des Wesens fort. Erst wenn alle Exemplare zerfallen oder zerstört sind, ist der Geist wieder frei. Jedes Mitglied des Zirkels besitzt eine riesige Bibliothek. Oft sind sie in Höhlen oder uralten Häusern und Burgen versteckt, meist jedoch unterirdisch. Je heller ein Buch hier leuchtet, desto mehr Geist des Wesens ist in ihm vorhanden. Viele Bücher, die du in den Läden kaufen kannst, findest du hier als Original. Sie seufzte tief. Als ich deinem Großvater begegnet bin, habe ich sofort gesehen, dass er ein Bannschreiber ist. Ich bin ihm gefolgt, um seine Bibliothek ausfindig zu machen. Dann hat er mich in dieses Buch gesperrt. Das war vor 46 Jahren. Ihre Augen wanderten traurig durch den Raum. Viele meiner Schwestern und Brüder sind hier in Büchern gefangen, und meine Eltern.
Eine Träne löste sich aus ihren Augewinkeln und hinterließ eine matt glänzende Spur auf ihrem schönen Gesicht. Jan wusste nicht, was er sagen sollte. Yaras Worte prickelten seltsam auf seiner Haut und hinterließen einen bitteren Geschmack in seinem Mund. "Kann... ich dir irgendwie helfen?", brachte er schließlich hervor.
Sie sah ihn an, ihre Augen ruhten in den seinen. Du könntest mir sehr helfen, hallte ihre Stimme in seinem Kopf, wenn du alle Bücher hier zerstören würdest. Ich kann in dieser Welt keine Gegenstände berühren. Wieder kroch eine glitzernde Träne aus ihrem Auge hervor und fiel auf ihr Kleid herab.
"Ich werde dir helfen", antwortete Jan entschlossen.
Während er auf das nächste Bücherregal zu marschierte, schwebte Yara auf seinen Großvater zu. Dieser hatte inzwischen den größten Teil der Halle durchquert. Hinter ihm flatterte sein schwarzer Morgenrock und verlieh ihm den Anschein einer riesigen Fledermaus. Tiefe Bestürzung stand in seinem Gesicht. Eine ganze Weile sahen sein Großvater und Yara sich schweigend an. Keiner von beiden rührte sich. Etwas, das sie gesagt hatte, war seltsam. Das schlechte Gefühl beschlich Jan wieder. Er spürte die Spannung, die in der Luft lag. Plötzlich wusste er es. Er rannte los so schnell er konnte. Mit letzter Kraft warf er sich gegen seinen Großvater und riss ihn mit sich.
Yara sah ihn mit einem wütenden Blick an. Ihre Augen waren flüssiges Feuer, und ihre eisige Stimme erklang in seinem Kopf. Warum hast du nicht getan, was ich dir aufgetragen habe?
"Du lügst", sagte er leise und blickte ihr fest in die Augen. "Du hast gesagt, du hättest ihn sofort als du ihn gesehen hast als Bannschreiber erkannt." Trotzig reckte er ihr das Kinn entgegen.
Na und? rief Yara spöttisch. Das habe ich!
"Nein, das hast du nicht. Du kannst ihn gar nicht erkannt haben. Niemand erkennt ihn." antwortete Jan ruhig. "Was hast du mit Großvater gemacht?"
Dasselbe, was ich jetzt mit dir tun werde! rief sie.
Die Bibliothek bebte und schwankte. Jan konnte sich nicht auf den Beinen halten und fiel auf die Knie. Als er es wagte, den Blick wieder zu heben, hatte Yara sich verwandelt. Eine Frau mit langen dunklen Haaren in einem Kleid aus substanzloser Dunkelheit schwebte vor ihm. Sie saß auf einem roten Samtkissen in einem Boot, das vollständig aus Knochen bestand. An Bug und Heck des Bootes starrten zwei Totenköpfe aus leeren Augenhöhlen in die Ferne. Yaras Augen waren schwarze Löcher, die bis auf den Grund seiner Seele drangen. Sie hatten keinen Anfang und kein Ende und fingen ihn in einer ewigen Schleife aus Sehen und Gesehenwerden ein. Jan wurde schwindelig. Ein kaltes, lähmendes Gefühl begann sich in ihm auszubreiten. Eisige Nadeln stachen in sein Fleisch. Er konzentrierte sich auf das Bild des Kaminfeuers, bis die Kälte langsam aus seinen Gliedern wich. Sein Großvater fiel ihm wieder ein. Ein gellender Wutschrei ließ ihn zusammenfahren. Ich werde wiederkommen, wenn du kein Kind mehr bist. Dann hast du meiner Macht nichts mehr entgegenzusetzen! Ein grässliches Lachen dröhnte in seinem Kopf. Dann war Yara verschwunden.
Jan sprang auf und stürzte auf seinen Großvater zu. Kalter Schweiß stand auf der Stirn des alten Mannes. Seine Beine und Arme waren eiskalt und hart wie Stein. Er flüsterte nur: "Jan, Ich muss dir sagen, was meine Aufgabe ist, damit du sie eines Tages weiterführen kannst. Du musst jetzt stark sein. Nichts was du tust, kann mich noch retten. Die Augen der Hexe haben mich vergiftet. Mein Körper verwandelt sich zu Stein."
Mit einem Schrei warf Jan sich auf ihn und umklammerte ihn. "Bitte, Großvater, ich wollte das nicht. Es tut mir so leid..." Seine Stimme brach ab, und er begann zu weinen.
"Hör zu, Jan, das ist jetzt sehr, sehr wichtig. Du kannst nichts dafür, ich hätte dir schon gestern Abend von meiner Bibliothek erzählen sollen."
Jan schluckte. Das Gesicht seines Großvaters verschwamm hinter einem Tränenschleier. Dann schluchzte er: "Ich glaube, du schreibst Bücher, um böse Geister darin einzusperren, die Menschen manipulieren wollen. Du tust Gutes für die Menschen, ohne dass sie davon wissen."
Ein Lächeln spülte über das schmerzverzerrte Gesicht seines Großvaters. "So ist es. Du bist sehr klug, Jan. Du wirst mein Haus erben und damit auch die Eigenschaft, nicht von Fremden erkannt zu werden. Ich habe alles aufgeschrieben. Du musst mein Werk weiterführen, wenn du alt genug bist. Ich... bitte dich darum."
Jan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah seinen Großvater durchdringend an. Dann flüsterte er "Ich werde es tun. Versprochen." Das Lächeln seines Großvaters gefror auf seinen Lippen zu Stein.

Jan legte den Federhalter zur Seite und atmete tief durch. Er hatte die ganze Nacht wie im Fieber geschrieben, bis ihm die Finger weh taten. Das schwache Grau des sich ankündigenden Tages fiel durchs Fenster. Er würde dafür sorgen, dass sein Buch in aller Welt gelesen würde. Noch einmal nahm er den Stift in die Hand und schrieb mit großen schwarzen Buchstaben Das Vermächtnis des Bannschreibers vorne auf den blau schimmernden Einband des Buches. Mit einem Seufzen und einem Lächeln lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Er hatte es vollbracht.

zurück