© der Geschichte: Nina Horvath. Nicht unerlaubt
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Vom Universum geträumt

Einst träumten die Menschen von der vollkommenen Freiheit, aber sie ahnten nicht, wie unbegreiflich sie sein würde.

Ich bin frei, ich hänge an nichts und so erschreckte mich auch die allumfassende Leere nicht, die mich umfing. Unwillkürklich hatte ich die Beine an den Körper gezogen und die Arme an mich gepreßt, so, als könnte ich mich an mich selbst klammern. Um mich herum waren Farben, die mich blendeten, dennoch konnte ich die Augen nicht zumachen. Oder waren sie schon geschlossen und das allmächtige Leuchten kam aus meinem Inneren?
Es verwirrte mich, keine Erde unter und keinen Himmel über mir zu haben.

Ich konnte nicht mehr denken, nicht fühlen, ich konnte nur einen gleißenden Strom von etwas Unbeschreiblichem in mich aufnehmen, konnte eintauchen, mich treiben lassen, mich selbst vollkommen verlieren, um mich in jedem Augenblick erneut völlig verändert wiederzufinden. Aber ich wurde nicht wirklich verwandelt, ich war immer noch die selbe Person, nur schien es mir, als wäre mein Geist bisher ein vielflächiger Würfel gewesen, der bisher immer nur die Eins zeigte und jetzt plötzlich in Bewegung geraten war und in der Drehung wieder und wieder eine neue Seite zeigte. Ohne zu verharren, folgte ein Spiel dem anderen.

Und dann, mit einem Mal, klammerte sich mein Körper wieder an mich selbst, wollte mich nicht mehr loslasssen, aber ich selbst wollte gar nichts mehr.
Ich sah mein Gesicht verzerrt vor mir und es war so bleich wie der Tod. Ich fühlte einen Druck auf mir lasten, der größer wurde, zu gewaltigen Ausmaßen heranwuchs, ehe ich japsend nach Luft schnappte.

Die Luft riecht abgestanden wie in einer alten Gruft, ich frage mich, warum mir das nicht schon früher aufgefallen ist. Mir ekelt richtig davor, zu atmen, ich will diese abscheuliche Luft nicht in mein Inneres lassen, ich will nicht schlafen, nicht wach sein, nicht essen, nicht sprechen und tue es dann doch, weil es in dieser Welt keine andere Form der Existenz gibt.

Ich sitze ihnen gegenüber, habe die Augen offen, aber blicke in die andere Richtung, nicht nach vorne, sondern in mich und durch mich und weiter durch die Wände des Raumschiffs bis zum Ende der Welt.
Seltsam, bis vor wenigen Stunden kannte ich jeden von ihnen noch beim Namen, aber irgendwie scheint es mir plötzlich nicht mehr richtig, ein Individuum mit einem willkürlichen Wort zu bezeichnen.

"Auf der Kamera, die Sie mithatten, ist kaum etwas zu erkennen, ein paar flimmernde Farben, wie bei den anderen Malen. Wir sind alles vollkommen auf Ihren Bericht, was Sie in der Raumanomalie gesehen haben, angewiesen."
"Ich kann mich an nichts erinnern", sage ich. Meine Stimme klingt seltsam tonlos, wie ein halbvergessenes Echo.

Morgen werde ich mir den Raumanzug anziehen und mich erneut in die Anomalie werfen. Diesmal werde ich mich mit ausgebreiteten Armen fallen lassen und nichts wird mich zurückhalten. Ich werde keine Sicherheitsleine verwenden, ich werde frei sein von allem, das mich je eingeschränkt hat. Ich werde nicht nach vertrauten Formen im Chaos suchen und nicht daran denken, was mir fehlt.

Ich werde gar nichts tun, außer zu existieren.
Einst träumten die Menschen von der vollkommenen Freiheit und ahnten nicht, wie viel sie dafür aufgeben mußten. Ich werde nicht fühlen, nicht denken und nicht einmal träumen.

Aber es wird mir nicht fehlen, da mich nun das allmächtige Universum träumt.

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