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Der Mond der verlorenen Seelen

Eine Kurzgeschichte aus dem "Ragnoruniversum", die ich für einen Themenwettbewerb mit dem Thema "Tanz der Schatten" des Autorenringes geschrieben habe.  Ich habe sie dann ebenfalls verwendet, um beim Goody-Award des Basteiverlages mitzumachen und habe dort einen dritten Platz in der Rubrik Fantasy  errungen.

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Jürgen Friemel



Keuchend stand der junge Mann am Fuße des sagenhaften  Tempelberges von Gromor, um einen Moment zu verschnaufen. Doch das durchdringende Kriegsgeschrei seiner Verfolger, die sich geräuschvoll ihren Weg durch den tropischen Urwald Gromors bahnten, ließ kein Verweilen zu. Obwohl die Beine bereits schwer waren, nahm er die hohen verwitterten Stufen des gewaltigen Zirkurats schwungvoll in Angriff und holte das letzte aus seinem schmerzenden Körper heraus. Als er schließlich mit letzter Kraft oben angelangt, war, hatte er Mühe den ersten Pfeilen auszuweichen, die seine Verfolger, die inzwischen am Fuße der mächtigen Stufenpyramide angelangt waren auf ihn abschossen. Er wankte aus der schwülen Hitze des Urwaldes heraus, hinein ins Dunkel des quadratischen Eingangs, dessen schwarzes Loch im Sicherheit vor seinen Verfolgern versprach. Um keinen Preis der Welt würden ihm die Wilden hierher folgen, denn hier lebte in der Überlieferung der primitiven Eingeborenen das Böse, das finstere Erbe der sagenhaften Priesterkönige von Gromor. Doch all das war dem jungen Mann herzlich egal, der aus dem fernen Norden in die Urwälder von Gromor gekommen war und den nichts mit den Urängsten seiner Verfolger verband. Hier oben war er vor ihnen sicher und nur das zählte.

Nur langsam gewöhnten sich Ragnors Augen an das Halbdunkel, das im Inneren des Tempels herrschte und es bestand kein Zweifel, daß es sich um einen solchen handelte. Doch welch ein Gegensatz zu den freundlichen Heiligtümern Amas, der segensreichen Kraft des Guten im Universum und der meist verehrten Gottheit auf  Makar. Die finsteren steinernen Dämonenfratzen, die auf Podesten längs seines Weges standen, schienen ihn anzugrinsen, als er langsam tiefer in das düstere Gebäude hinein schritt auf der Suche nach einem Platz für die Nacht. Als er die mächtige Haupthalle betrat, erschauerte er vor der gewaltigen Götzenfigur, die drohend im Zentrum des Raumes kauerte, einen wuchtigen, fingerdick mit Staub bedeckten, Altar in seinen mächtigen Klauen. Vorsichtig sah er sich um und trat langsam näher an den Altar heran und, wie unter Zwang, wischte er den Staub von dem porösen Stein. Entsetzt zuckte seine Hand zurück, als er selbst in dem Zwielicht, das hier herrschte, erkannte, daß der poröse graue Stein des Altars durch und durch von einer schwarzen eingetrockneten Flüssigkeit durchtränkt war und er war sich sicher, ohne daß er es wirklich wußte, daß es sich dabei um Reste von Menschenblut handelte. Während er auf den Stein starrte, zuckte vor seinem inneren Auge eine schnelle Folge von Bildern vorüber, in denen schwarz gewandte Ximonpriester ihren schreienden Opfern das Herz aus dem Leibe schnitten, um es Ximon dem Abscheulichen zu opfern. Ja, er war sich sicher, daß er vor einem uralten Altar seines finsteren Feindes stand, der in alter Zeit wohl unendlich viel Grauen über die Menschen, die hier einmal gelebt hatte, gebracht hatte.

Die Abscheu vor dem hier Geschehenen wischte seine Müdigkeit hinweg und eine gnadenlose Wut über die schändliche Stätte des Verfluchten, kochte in ihm hoch. Bevor er recht wußte, was er tat, zog er sein Quasarschwert Quorum aus der Scheide und hob es mit beiden Händen über seinen Kopf. Und dann fuhr das kristallene Schwert, das unter seinen tobenden Gefühlen hell aufzuflammte und das dämonische Szenario in ein blauweißes Licht badete, auf den Altar nieder der, unter dem mächtigen Hieb, klirrend in tausend Stücke zersprang. Bevor Ragnor recht wußte, wie ihm geschah, erglühte der steinerne Götze in tiefrotem Licht und ein glutrotes Tor öffnete sich dort, wo einst der Altar gestanden hatte. Es saugte die Altartrümmer gierig in sich auf und der junge Mann stürzte von einem gewaltigen Sog erfaßt in das rote Auge, wobei er, bevor er tatsächlich in dieses eintauchte, das Bewußtsein verlor.

Als er wieder erwachte, lag er, im hellen Tageslicht inmitten von Trümmerstücken des Altars, auf rotem grobkörnigem Sand. Langsam rappelte er sich auf, klopfte den Sand aus seinen Kleidern und sah sich vorsichtig um. Daß das hier nicht die Urwälder von Gromor waren, war auf den ersten Blick klar, denn er befand sich inmitten einer gebirgigen Landschaft, die nur aus roten Felsen und rotem Sand zu bestehen schien, welche nur vereinzelt von verkrüppelten Pflanzen, die an die Agaven des Nordkontinents erinnerten, durchsetzt war. Heiß und rot stand die mächtige Sonne Makars am Himmel und erschöpft von der Hitze, in der er wohl einige Zeit bewußtlos gelegen haben mußte, machte er sich auf um nach einem schattigen Plätzchen zu suchen, in der Hoffnung dort auch etwas Wasser zu finden. Es dämmerte schon, als er endlich, am Fuße der höchsten Erhebung der Gegend einen Felsüberhang fand, dessen Wand feucht und von grünen Flechten bewachsen war. Nach einigem Suchen, fand er ein kleines Rinnsal, das aus einer Felsnische rann. Dankbar trank er von dem nicht besonders frisch schmeckenden Wasser, aber für ihn, der einen halben Tag durch eine glutheiße Felswüste geirrt war, war es köstlicher als der allerbeste Wein. Dankbar und müde ließ er sich in der Felsnische nieder und schlief erschöpft ein. Als er erwachte und noch ein wenig verschlafen zum Sternenhimmel hinauf sah, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Anstatt der beiden gewohnten Monde, stand neben dem grünen Mond, der im etwas größer zu sein schien als sonst, ein riesiger blauweißer Himmelskörper am nächtlichen Himmel. Einen Moment konnte er sich keinen Reim darauf machen, bis ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf. Er befand sich nicht mehr auf Makar, seinem Heimatplaneten, sondern auf dem roten Mond Ximonar und das was da so groß und mächtig am Himmel stand, war seine Heimatwelt. Daher der rote Sand und die roten Felsen. Das Loch unter dem Altar war ein Tor nach Ximonar, dem Symbol des Bösen auf Makar, gewesen. Einen Moment jagten sich die Gedanken in seinem Kopf, doch schließlich gewann sein praktisches Naturell die Oberhand und er beschloß erst einmal hier im Schutz der Felswand zu übernachten, denn am Morgen würde er alle Kräfte brauchen, um etwas Eßbares aufzutreiben. Danach konnte anfangen sich Gedanken zu machen, ob es von hier einen Weg zurück nach Makar gab. Immer noch erschöpft schlief er ein. Doch es war ein seltsamer Schlaf, in den er da fiel. Immer wieder vermeinte er Stimmen zu hören, meinte Schatten wahrzunehmen, die um ihn herum tanzten und flüsterten, ohne daß es ihm gelang sich aus seinem seltsamen Wachtraum zu lösen.

Am nächsten Morgen erwachte er ziemlich zerschlagen und nur wenig erholt, aber er machte sich ohne noch einen Gedanken an die seltsamen Träume zu verschwenden, auf die Suche nach Nahrung. Trotz intensiver Suche fand er keinerlei Spuren von tierischem Leben auf Ximonar, lediglich einige Flechten, mit einigermaßen vertrauenserweckenden Beeren konnte er finden. Er probierte zwei der leicht bitteren Früchte, sammelte den Rest ein und als es ihm Stunden später immer noch gut ging, beschloß er auch die anderen zu essen. Gegen Abend kehrte er zurück zu seinem  Felsen und beschloß, nachdem er ausgiebig getrunken hatte, sich über die Schwertmeditation in seine Domäne Quirinia, die in einer anderen Dimension lag, zu versetzen, um dort in einer komfortablen Umgebung nach einer Lösung seines Problems zu suchen. Doch dieser Plan wurde jäh zu  Nichte gemacht. Irgend etwas auf diesem Mond verhinderte, daß er in den Quasarkristall eintauchen konnte. Weder Schwert, noch  Dolch, noch Ring konnte er erreichen, so sehr er sich auch bemühte. Frustriert und müde legte er sich nieder und sank schnell in einen tiefen Schlaf. Wieder hörte er die Stimmen und sah die Schatten, die ihn umtanzten doch diesmal blieb er nicht in dem ohnmächtigen Schlaf gefangen, sondern es gelang ihm unter großen Mühen sich aus seinem Körper zu lösen. Schließlich schwebte er über seinem Körper und sah auf ihn hinab. Als er die Augen hob, sah er ein Dutzend seltsam durchsichtige Schattengestalten um seinen Körper tanzen. Schließlich bemerkte der Geist einer jungen Frau seinen  Astralkörper, der sich langsam über seinem Körper manifestiert hatte und die junge Frau mit traurigen Augen sprach ihn an, wobei  ihre Stimme fast schüchtern in seinem Kopf fragte: "Seid ihr ein richtiger Mensch, ein Lebender?"
"Ja ich bin ein Lebender", antwortete ihr Ragnor.
"Wie seid ihr hierher auf den Mond der Verlorenen gekommen?", fragte sie weiter.
"Ich hab den Altar im Ximontempel in Gromor zerstört und dann hat mich ein roter Sog erfaßt und hierher gezogen", antwortete er ihr wahrheitsgemäß.
"Ich danke Ama dafür, daß er euch hierher geführt hat. Wollt ihr uns helfen, damit wir endlich zum Leben zurückfinden können?", fragte sie schließlich demütig.
"Wenn ich es vermag", antworte ihr der junge Mann, von der Bitte überrascht.."
Doch bevor sie ihre seltsame Unterhaltung fortsetzen konnten, zerriß ein wütender unendlich hungriger Schrei, ihre Gedanken und die Schatten, die ihn friedlich umstanden hatten, stoben in Panik davon. Er hörte nur noch den angstvollen Schrei der jungen  Frau in seinem Kopf: "Oh Ama, der Seelenfresser geht auf Jagd, rettet euch, der Seelenfresser hat uns entdeckt. Flieht! Flieht!"

Abrupt erwachte Ragnor aus seiner merkwürdigen Trance und sah sich um. Zuerst schien nichts ungewöhnlich zu sein. Doch dann, als er unter dem Felsvorsprung, heraus trat, bemerkte er, daß die Spitze des Berges in ein finsteres dunkelrotes Licht getaucht war, das gleiche dämonische Licht, in dem der Götze im Tempel geglüht hatte und er wußte instinktiv, daß dort der Feind der jungen  Frau zu finden war, den sie Seelenfresser genannt hatte.  Lichtfinger, die wie lange rote Tentakel aussahen, liefen vom Berg hinab ins flache Land und es sah im ersten Moment so aus, als ob ein ausgebrochener Vulkan blutrote Lavaströme ins Land ergösse. Schnell trat in die Deckung des Felsvorsprungs zurück und überdachte das soeben Erlebte. Schließlich kam er zu dem Schluß, daß für ihn kein Weg daran vorbei führte. Er mußte dort hinauf und sich dem Gegner stellen, nicht nur, um den Schatten zu helfen, sondern vielleicht auch sich selbst. Denn möglicherweise war es dieses dämonische Wesen, das mit seinen übernatürlichen Kräften seinen Rückzug nach Quirinia blockierte.

Der Aufstieg, den er in der ersten Morgendämmerung begonnen hatte, war beschwerlich gewesen. Glücklicherweise hatte er auf seinem Wege ein paar der wohlbekannten Flechtenbeeren finden können, die seinen grimmigsten Hunger gestillt hatten. Es begann bereits zu dämmern als er in einer Felsspalte kurz unter dem  Gipfel eine kurze Rast einlegte, um etwas zu verschnaufen. Kaum hatte er die Augen für einen Moment geschlossen, spürte er erneut die Anwesenheit der jungen Frau, die in der gestrigen Nacht zu ihm gesprochen hatte. Er streckte seine Gedankenfühler aus, wie er es tat, wenn er mit Tieren Verbindung aufnahm und tatsächlich, da war sie wieder.
"Hallo, seid ihr euerem Feind in der letzten Nacht entkommen?" fragte er vorsichtig nach.
"Ja ich bin ihm entkommen, aber die meisten der anderen hat er erwischt", antwortete sie traurig.
"Sind sie jetzt tot?"
"Nein, sie sind nicht tot. Er saugt aus ihren Seelen die Lebenskraft, damit sie nicht von Ximonar fliehen können, denn jede Seele möchte zurück nach Makar, um in einem neuen Körper ein neues Leben zu beginnen. Doch dafür braucht man eine große Menge Energie, die sich nur sehr langsam aufbaut und bisher ist es keiner Seele gelungen von hier zu entkommen. Der Wächter hat sie alle erwischt und wenn er mit Ihnen fertig ist, sind sie für weitere hundert Jahre gefangen, bevor sie wieder genügend Energie aufgebaut haben", flüsterte sie leise.
"Was ist der Wächter für ein Wesen und wie kann man es besiegen", fragte Ragnor nach, in der Hoffnung vielleicht einen Hinweis zu bekommen, wie dem Seelenfresser beizukommen war.
"Das weiß ich leider nicht", antwortete das Mädchen bedauernd. "Wir trauen uns nicht in die Nähe seines Heimes auf dem Gipfel, sondern versuchen meist, uns so weit weg wie möglich von hier aufzuhalten."
Ragnor war ein enttäuscht über ihre Antwort, trotzdem fragte er nach: "Wieviele von euch gibt es denn hier auf Ximonar?"
"Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube es sind sehr viele. Vielleicht Millionen!"
Der junge Mann erschauerte. Wie mächtig mußte wohl ein Wesen sein, dem es gelang Millionen von Seelen gefangen zu halten. Er wagte einen letzten Versuch: "Habt ihr nie versucht den Seelenfresser zu bekämpfen?"
"Nein, das hat nie einer gewagt. Wir wüßten ja auch nicht wie", antwortete sie zaghaft.
Fast ein wenig ärgerlich, richtete sich Ragnor auf und sendete einen letzten heftigen Impuls: "Dann sag den anderen, daß ich nun nach oben gehe, um zu kämpfen. Vielleicht finden sich ja ein paar von euch, die nicht zu feige dazu sind und mir folgen."

Damit unterbrach er die Verbindung, öffnete die Augen und richtete sich auf. Er legte seine Hand auf den Schwertgriff und die beruhigenden Impulse des Quasars stärkten seine Entschlossenheit. Nun denn, es gab keinen Weg mehr zurück und mit kräftigen Schritten machte er sich auf, die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel zu überwinden. Als der schließlich dort anlangte, schickte sich die rote Sonne gerade an, hinter dem Horizont des roten Mondes zu verschwinden. Ihre letzten Strahlen beleuchteten den kahlen Gipfel auf dem nichts, aber auch gar nichts zu finden war. Irritiert sah sich Ragnor um, denn er hatte alles, nur nicht das erwartet. Hier war absolut nichts. Resigniert ließ er sich auf einem Felsblock nieder und beobachtete die untergehende Sonne. Alles war vergebens gewesen, der Feind war nicht hier und es war viel zu spät, um heute noch den Abstieg zu versuchen.

Doch kaum war die Sonne untergegangen, begann es im Zentrum des Gipfelplateaus rot zu schimmern. Zuerst nur ganz zart und dann immer intensiver und schließlich erhob sich eine dunkelrot leuchtende Säule, in der man schließlich undeutlich die Fratze eines Dämonen erkennen konnte, die sich langsam bildete. Ragnor reagierte sofort, zog sein Quasarschwert, ließ es aufflammen und stieß es tief in die substanzlose Erscheinung.
Diese warf ihn zurück, so daß er zu Boden stürzte und eine kalte höhnische Stimme drang in seinen Geist: "Menschlein. Hast du wirklich geglaubt du könntest mich mit deiner Waffe verletzen? Keine Waffe dieser Welt kann mir etwas anhaben und nun werde ich mir dein bißchen Verstand holen."
Ein roter Tentakel schnellte auf den jungen Mann zu und fesselte ihn, so daß er kein Glied mehr bewegen konnte. Dann ganz langsam saugte sich die Spitze an seine Stirn und ein schneidender Schmerz fraß sich in seinen Kopf. Ragnor glaubte im ersten Moment er würde bewußtlos werden, doch stattdessen sah er den glühenden Tentakel in seinem Kopf vor seinem geistigen Auge und instinktiv versuchte er eine Barriere zu errichten. Und tatsächlich gelang ihm das. Eine weißblaue leuchtende Barriere entstand und warf den Tentakel zurück.
"Ahhh, ein latenter Telepath. Das macht ja richtig Freude. Es ist lange her, daß ich so etwas wie einen Gegner gefunden habe. Doch das wird dir nichts nützen. Schau her", dröhnte die überhebliche Stimme spöttisch in seinem Kopf.
So sehr sich Ragnor auch bemühte die Barriere aufrecht zu erhalten, sie bekam Risse und das unheilige rote Licht, leuchtete durch sie hindurch und schließlich zwängte sich der Tentakel durch sie hindurch. Der Schmerz, den ihm dieser Angriff bereitete, entfachte die Wut in dem jungen Mann und er warf seine ganze Konzentration dem Angreifer entgegen und für einen Moment wich der Angreifer vor dem blauen Feuer zurück, daß ihm Ragnor entgegenwarf.
Er spürte kurz ein Abschwellen des Schmerzes und sein Unterbewußtsein erfaßte, daß sein Feind langsam ärgerlich wurde. Doch der nächste Schlag war brutal und mit voller Kraft geführt und zerschlug Ragnors Angriff zur Gänze. Sein Geist schrie gequält auf, als die rote Flut tief in sein Gehirn eindrang und es gelang ihm nur mit Mühe sein Bewußtsein in einen kleinen Winkel seines Gehirnes zurück zu ziehen. Gepeinigt schrie sein Geist um Hilfe, rief die Seelen der Verbannten auf ihm beizustehen, denn lange würde er sich nicht mehr halten können.
"Und jetzt werde ich dich zerstören und dein Bewußtsein für alle Ewigkeiten auslöschen", dröhnte die Stimme in seinem Kopf.
Ragnor nahm alle Kraft zusammen, die ihm geblieben war, bildete in seinem Geist eine dünne glühende Spitze und stürmte aus seiner Deckung, alle Energie, die ihm verblieben war in diesen Angriff legend. Die weißglühende Lanze zerschnitt die rote Flut wie ein Messer und zum ersten Mal hörte er seinen Feind vor Schmerz und Wut aufschreien: "Du Narr. Diesen Schmerz wirst du mir hundertfach büßen, ergib dich endlich in dein Schicksal."
Ragnor spürte wie sein Kräfte nachließen und doch trieb er die glühende Spitze mit letzter Kraft immer tiefer in seinen Feind hinein und er schöpfte Kraft aus dessen Schmerzensschreien. Doch auch die Wirkung dieses aufputschenden  Impulses versiegte und er spürte, wie er immer langsamer wurde. Er würde es nicht schaffen. Das war das Ende. Er schloß entkräftet sein inneres Auge und er erwartete seinen endgültigen Zusammenbruch. Doch seltsam, plötzlich ließ der Druck nach und das Geschrei seines Feindes war plötzlich nicht mehr arrogant sonder voller Angst: "Nein...... Ihr seid meine Sklaven. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ihr.....Ahhhhhhh!"
Dann war Stille. Unendlich mühsam öffnete der junge Mann sein inneres Auge und was er sah war unglaublich. Hunderte von weißglühenden Speeren jagten durch die rote Masse und lösten sie auf. Das war das letzte was er sah, denn plötzlich ließ der Druck um seinen Körper nach, er stürzte und versank in einer tiefen Bewußtlosigkeit.

Als er schließlich wieder erwachte, war es heller Tag. Er hatte rasende Kopfschmerzen und es gelang ihm nur mit Mühe in den Schatten der Spalte zu gelangen, in der er vor seinem endgültigen Aufstieg gerastet hatte. Erschöpft schlief er sofort wieder ein.
Als ihn die Kühle der Nacht wieder aufweckte und er mühsam die Augen öffnete, sah er, daß Tausende der lichten Schattengestalten, sich um ihn herum versammelt hatten. Der ganze Berg, die Ebene, nein, der ganze Mond schien voll von Ihnen zu sein. Schließlich löste sich die Gestalt der jungen Frau aus der Menge und schwebte auf ihn zu. Ihr Gesicht strahlte unendliches Glück aus und das einzige, was sie ihm im Geiste zuflüsterte, war: "Danke. Ihr habt uns gezeigt, wie man kämpfen kann und nun werden unsere Seelen irgendwann diesen Mond verlassen können, um zurück zu kehren nach Makar, um endlich neu geboren zu werden. Einige von uns warten bereits seit tausenden von Jahren darauf. Wir sind euch auf ewig dankbar, auch wenn wir in uns in unserem neuen Leben nicht mehr daran erinnern werden. Zumindest nur wenige von uns."

Ragnors Annahme, daß der Seelenfresser seine Rückkehr nach Quirinia blockiert hatte, erwies sich als richtig und als er endlich wieder in den Annehmlichkeiten seiner Domäne angekommen war, sagte er launig zu seinem Androiden Quirin-1, als dieser ihn wie üblich, nach der geplanten Länge seines Aufenthaltes fragte: "Das kann ich dir heute noch nicht sagen. Zuerst muß ich nach einem Weg suchen, wie ich von Quirinia aus wieder nach Makar gelangen kann. Von diesem verdammten Mond Ximonar habe ich erst einmal gründlich die Nase voll."
 

Jürgen Friemel 1999

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