© der Geschichte: Charlotte Engmann. Nicht unerlaubt
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Rianna
für Christel

"Du verweigerst dich mir?" Der Zorn des Feenlords offenbarte sich als Feuerfunken, die aus seinen Augen schossen und aus seinem lohfarbenen Haar aufstiegen.
"Ja, das tue ich", antwortete Rianna entschlossen. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Sie würde sich nicht seinen Wünschen beugen und seine Geliebte werden. Für ihre Würde und ihre Freiheit war sie bereit, jeden Preis zu zahlen.
Wieder hatte Alegadion Feuersturm ihre Gedanken gelesen, und für einen Moment verblaßte das Glühen seiner Gestalt. Doch dann trat ein drohendes Funkeln in seine Augen. "Du bist vielleicht bereit, dich selbst zu opfern - aber was ist mit deinem Volk, deinem Land?"
Rianna holte zischend Luft. Alegadion hatte ihre Schwachstelle entdeckt! Konnte sie ihre Heimat seinem Zorn ausliefern, durfte sie Unschuldige zum Sterben verurteilen, um sich selbst zu retten? Niemand würde sie verurteilen, wenn sie sich ob dieser Drohung fügte. Sie war nicht die erste Frau, die ihr Leben oder ihre Freiheit hingab, um das Land oder die Familie zu retten. Und sie würde nicht die letzte sein.
Ganz von allein ballten sich Riannas Hände zu Fäusten. Nein, keine Frau mehr sollte gegen ihren Willen die Geliebte eines Mannes - sterblich oder nicht - werden. Das mußte ein Ende haben. Sie würde sich nicht zwingen lassen. Koste es, was es wolle.
"Ich werde nicht mit dir in die Anderswelt gehen!" Fest sah sie Alegadion in die Augen, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, den Feenlord besiegt zu haben.
Das höhnische Lachen des Holden aber fegte ihren Triumph fort. "Nun, bevor du dich endgültig entscheidest, sollst du sehen, über welche Macht ich gebiete und was mit jenen geschieht, die sich meinem Wünschen widersetzen."
Mit einer ausholenden Geste rief Alegadion die jenseitigen Nebel herbei, die die beiden umschlossen und die sich erst nach einer Weile, die Rianna wie eine Ewigkeit vorkam, lichteten und schließlich ganz verschwanden.
Erstaunt sah sich die Frau um. Jetzt standen sie nicht mehr auf den Zinnen ihrer heimatlichen Burg, sondern auf einem blumenübersäten Abhang, an dessen Fuße sich ein liebliches Tal befand. Lichte, junge Haine spendeten kühlen Schatten, goldene Felder wogten im Sommerwind, und in der Ferne konnte Rianna fruchtbare Weinberge erkennen.
"Was…", keuchte Alegadion neben ihr auf. Seine eben noch stolze Haltung drückte Fassungslosigkeit aus, und das gefährliche Leuchten seiner Gestalt war erloschen. "Aber… aber ich hatte hier alles niedergebrannt. Das Tal war nur noch Asche und tote Erde, nachdem mein Feuersturm die Frevler vernichtete."
Ein Lachen stieg in Rianna auf. Sie wollte es erst unterdrücken, doch dann wurde ihr klar, daß es dafür keinen Grund gab, und so lachte und lachte sie, bis Alegadion mit einem letzten Blick, der sein Entsetzen und seine Niederlage verriet, in den Nebeln verschwand.
Erschöpft von den seelischen Strapazen, aber zufrieden mit dem Ausgang ließ sich Rianna auf den Blumenteppich sinken. Ja, Alegadion konnte ihre Heimat zerstören, - aber das Land würde sich erholen und Menschen dort wieder siedeln, eine neue Generation, die vielleicht wie Rianna bereit war, der Willkür der Feen zu trotzen.

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