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Putzfrau ante portas

Mein Schatz legte den Hörer auf und ich bemerkte, dass sie innerhalb von Sekunden kreidebleich geworden war. Ich erschrak und vermutete Schlimmstes. Ein Todesfall? Kündigung? Drohende Verhaftung? Positiver HIV-Test? Ungewollte Schwangerschaft? Der stierende Blick ließ alles möglich erscheinen... "Sie kommt. In drei Stunden ist sie hier...Mama!"

Mama ante portas, das übertraf natürlich meine schlimmsten Befürchtungen. Nicht dass wir etwas gegen unsere Mütter einzuwenden hätten, nein, ganz im Gegenteil, wir lieben sie heiß und innig. Solange sie zu Hause bleiben und wir sie besuchen können so oft wir wollen, aber wer denkt denn an Gegenbesuche? Also, ruhigen Kopf bewahren, ganz cool. Erst einmal: gemütlicher Nachmittag auf der Couch - gestrichen; anschließendes Abendessen beim Italiener, damit wir die Küche nicht aufräumen (und auch nicht sehen) müssen - ebenfalls gestrichen! Statt dessen: Grobreinigung der Wohnung, drei Stunden genügen sowieso nur um die schwersten Flurschäden und offensichtlichsten haushaltstechnischen Verfehlungen zu kaschieren.

Wir haben für diese Erstmaßnahmen einen hübschen Begriff geprägt: optische Sauberkeit, nicht zu verwechseln mit der objektiven Sauberkeit wie bei Mama zu Hause. Denn das heißt: Essen könnte man aus der Kloschüssel und hielte man sich nur in dieser sterilen Wohnung auf, hätte man wahrscheinlich eine lebenslange Immunschwäche, weil die Abwehrkräfte so gut wie nie etwas zu tun bekommen. Um die leichter verträgliche optische Sauberkeit zu erreichen, geht man folgendermaßen vor: Erst werden grobkörnige und sperrige Teile aufgehoben und beseitigt. Herumliegende Bücher und sonstiges intellektuell anmutendes Zeug wird einfach ins Arbeitszimmer gestellt. Dort wird schließlich gearbeitet und da ist eine gewisse Unordnung - auch bei Müttern - akzeptabel. Anschließend werden die herumliegende Unterwäsche und sonstige Kleidungsstücke entweder entsorgt oder in die Wäsche geschmissen. Die sieben der Waschung harrenden Körbe voller Kleidung kommen entweder unter das Bett oder werden in den Schränken verstaut, was beim Schließen der Türen zum Teil rohe Gewalt nötig werden lässt, weil da ja schon die Kisten mit Textilien stehen, die zwar schon gewaschen, aber noch nicht gebügelt sind. Dann wird gestaubsaugt. Ist der Parkettboden nicht vorzeigbar, werden die schlimmsten Flecken punktuell mit einem Waschlappen befeuchtet und weggerubbelt. Tja, nun nur noch in der Küche das dreckige Geschirr in die Spülmaschine stellen und den grobkrustigen, mittlerweile eingetrockneten Schmutzfilm von der Arbeitsfläche spachteln. Fertig. Halt!! Bad und Gästeklos!! Schlimm, wenn das vergessen wird. Zumindest alle Shampoo- und Seifenflecken und Haare entfernen (manchmal könnte man glauben, unser Fußboden bekommt ein Fell!). So, aber jetzt: Mütter können kommen.

Das war das letzte Mal! Diesen Besuch haben wir ja - wie jeden - überstanden, aber diese nervliche Belastung ist unserer Gesundheit auf Dauer nicht zuträglich. Da muss etwas anders werden. Schon lange haben wir ja geplant eine Putzfrau, pardon: Reinigungsfachkraft, zu engagieren. Herrlich muss es sich leben, wenn man ohne Rücksicht auf Verluste wie in einer Räuberhöhle ohne Schuldbewusstsein hausen kann, schließlich kommt ja zumindest einmal in der Woche Frau Soundso und bringt alles wieder auf Vordermann - dachten wir...

"Schau mal, in der Ecke im Esszimmer, die Spinnweben! Was soll Frau H. von uns denken? Und das Schlafzimmer...Soll sie vielleicht die ganze Unterwäsche vom Boden aufheben?" Irgendwie kamen mir diese Dialoge bekannt vor. Das hatten wir doch schon mal. Nur mit dem Unterschied, dass der Terror jetzt jede (!!!) Woche von uns Besitz ergreift. Dabei ist Frau H. eine zutiefst höfliche und freundliche Frau, der niemals auch nur ein Sterbenswörtchen bezüglich einer unaufgeräumten Wohnung über die Lippen kommen würde. "Und das Bad muss unbedingt noch gesaugt werden!!" "Ja, ja, ist ja gut!" Manchmal bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen gegenüber Frau H. Die wird sich schließlich ihren Teil denken, wenn sie in eine aufgeräumte und saubere Wohnung kommt und dann noch sichtbare (!!) Arbeit leisten muss. Da ist es in einem Saustall wesentlich leichter, als Reinigungskraft zu glänzen. Naja, einerlei. Wahrscheinlich vermutet sie, wir seien Verwandte von Michael Jackson oder Universalallergiker oder Steril-Fetischisten... Gut, wir tun natürlich auch eine Menge dafür, dass Frau H. einen guten Eindruck von uns bekommt. Die drei Stunden Vorreinigung sind schließlich nicht von Pappe. Eines muss man jedenfalls feststellen. Seit wir eine Putzfrau haben, ist unsere Wohnung viel aufgeräumter und wirkt wesentlich sauberer. Wir fühlen uns wieder so richtig wohl in unserem Zuhause. Wozu brauchen wir eigentlich eine Reinigungskraft? Wo es doch so heimelig ist bei uns? Das gesparte Geld könnten wir ja in einen zusätzlichen Urlaub investieren. Eine Überlegung wäre das wert...
Aber erst nächste Woche. In drei Tagen kommt nämlich Mama wieder!

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