© der Geschichte: Robert Herbig. Nicht unerlaubt
vervielfältigen oder anderswo veröffentlichen. Alle Rechte
dieses Werkes liegen bei dem Autor. Diesen Disclaimer bitte
nicht entfernen


Fahr und Spar

Eigentlich fing ja alles ganz harmlos an.
Mein Freund aus Berlin lud mich vor kurzem ein, ihn doch im nächsten Sommer mal zu besuchen.
Und als aufmerksamer und regelmäßiger Leser der Bildzeitung weiß ich natürlich, dass es bei der Bahn jetzt sogenannte Spartarife gibt.
Nach dem Motto: "Je eher, desto billiger", oder so ähnlich, wollte ich jetzt schon meine Reise im Juli buchen!
Ich also schnurstracks zu unserem Bahnhof und nach kurzen 29 Minuten Wartezeit stand ich schon am Schalter.
Hinter diesem eine hübsche, junge Dame, die mich freundlich anlächelte.
Ich lächelte zurück und sagte:
"Ich möchte gerne nach Berlin!"
"93,40", kommt wie aus der Pistole geschossen.
"Mooooment!", sag ich bestimmt, "ich will doch erst im nächsten Juli dorthin.
Und vor allem will ich es so billig wie möglich!", sage ich mit erhobenem Zeigefinger.
"Haben sie denn eine Bahncard?"
"Nöö, warum?", frage ich verständnislos.
"Mit der Bahncard zahlen sie nur 46,70."
"Das ist ja Klasse! Und was kostet mich die Bahncard?"
"Die gibt's schon ab 60 Euro!"
"Aber dann zahl ich doch für die Fahrt mehr als 100 Euro! Und ohne Bahncard kostet mich die Fahrt nur 93,40?"
"Ja", strahlte sie mich an!
"Und wo ist da bitte meine Ersparnis?"
"Naja, die kommt erst, wenn sie wieder einmal nach Berlin fahren! Oder vielleicht nach Bremen?"
"Aber ich will doch nur einmal nach Berlin! Und was soll ich denn in Bremen?", frage ich, während vor meinem geistigen Auge das Bild meines verfressenen Bekannten Markus auftauchte, der in Bremen wohnt.
"Also dann ohne Bahncard, 93,40", erwidert sie schnippisch.
"Und was ist mit diesen Spartarifen? Da geht's doch sicher noch etwas billiger?"
"Klar, fahren sie in einer Gruppe?"
"Hmm, ich weiß nicht, soll ich?"
"Group & spar vielleicht? Sind sie denn eine Gruppe von mehr als neun Leuten, aber weniger als 17 Leuten?"
"Eigentlich wollte ich ja alleine...?"
"Haben sie ein Haustier? Dann könnten wir "Tier & spar" nehmen!"
"Naja, ein paar Hausstaubmilben, Silberfischchen vielleicht?"
Sie schaut etwas verständnislos.
"Einen ausgestopften Papagei hab ich noch, von Tante Elfriede, wissen sie...?"
"Ahaaa!!! Wie alt?", schreit sie mich an.
"Der Papagei?", frage ich, total verblüfft über dieses ausgeklügelte und ausgebuffte System.
"Die Tante!", antwortet sie, leicht gereizt!
"Ach so. Hmmm, warten Sie, Tante Elfriede, sag ich und zähle im Kopf nach....94..."
"Na also, "Senioren & spar" passt", sagt sie mit diesem Blick, den Staubsaugervertreter haben, wenn sie sagen: "Sie - brauchen - einen - Staubsauger!"
"....würde sie im Dezember", beende ich den Satz. "Sie starb vor 11 Jahren und liegt auf dem Ostfriedhof.
Eigentlich wollten wir sie damals ja verbrennen, aber Onkel Siegfried..."
"Nein...", sagt sie, sichtlich enttäuscht, "...das mit den Senioren wird also nichts. Haben Sie Kinder?"
"Nein, ich suche noch."
"Sie suchen Kinder?"
"Nein, eine Frau! Ich suche noch eine Frau, die meine Kinder gebärt. Also, ich meine eine Frau, die mich heiratet und dann meine Kinder gebärt, wenn es, hmmm, wenn sie soweit ist, öhhh, wenn wir zusammen, äh, schwanger meine ich, Sie verstehen doch, was ich meine, oder?", stammle ich doch etwas verlegen vor mich hin. Bei diesen Worten sehe ich eine dezente Röte ihr Gesicht überziehen.
"Sind sie eigentlich verheiratet?", frage ich sie spontan, entgegen meiner sonstigen Schüchternheit.
"Ich?", fragt sie, total verblüfft, "nein, warum?"
"Was machen sie denn Ende Juli nächstes Jahr?"
"Öhm....???"

Fazit: Ich fahre im Juli mit dem Auto nach Berlin.
Ohne Bahncard, ohne Haustiere und vor allem auch ohne den Sarg von Tante Elfriede.
Aber Marianne nehme ich mit.
Ihr wisst schon, die junge Dame hinter dem Schalter.

zurück