© der Geschichte: Kai Bliesener. Nicht unerlaubt
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Strudel der Gefühle

Der Strudel der Gefühle zog mich mit in die Tiefe der unsagbaren Qualen einer häßlichen Welt. Alleine lief ich durch die Dunkelheit, versuchte mir die wirren Gedanken mit Gewalt aus dem Kopf zu schlagen, doch der Wirbel und das Durcheinander in meinem Leben ließen mich keine klaren Gedanken fassen. Ich saß fest in der Scheiße vom Leben, drohte darin zu versinken wie in einem Sumpf.
Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, den Oberkörper nach vorne gebeugt und den Kopf eingezogen, in dieser leicht bizarr anmutenden Körperhaltung streifte ich seit Stunden durch die Straßen der Stadt. Es hatte die ganze Zeit geregnet und ich war naß bis auf die Knochen, aber das interessierte mich nicht. Warum nicht an einer Lungenentzündung verrecken, fragte ich mich. Dann wäre der ganze Mist ein für alle mal vorbei. Klare Verhältnisse gäbe es dann – genau was ich jetzt am nötigsten brauchte. Alles, wirklich alles war besser als die gegenwärtige Situation. Ich hing in den Seilen, wie ein Boxer nach einem KO-Schlag des Gegners. Ich stand an einer Weggabelung der bittersüßen Illusion meines verkorksten Lebens und hatte keine Ahnung, welche Richtung ich einschlagen sollte. Es schien, als würden beide Wege direkt ins Verderben führen, direkt ins Nichts, das hinter dem unsichtbaren Abgrund auf mich wartete. Ich hatte eine höllische Angst vor der anstehenden Veränderung, denn mein ganzes Leben hatte ich um dich gebaut, alles hatte sich um dich gedreht. Du warst der Mittelpunkt meines kleinen Universums, doch das Universum war explodiert. Der Staub der Explosion verdunkelte alles Licht in unserem Leben, und jetzt gab es eine totale Sonnenfinsternis zwischen uns. Ich hatte mit einer anderen im Mondlicht getanzt, hatte mich verliebt in eine Frau aus längst vergangen geglaubten Tagen meiner Jugend.
Plötzlich war alles anders gewesen. Ich hatte mit einer merkwürdigen, bisher nicht gekannten Distanz auf unser Leben geschaut. All die ganzen Jahre, immer hatte ich geglaubt, wir seien glücklich, anders als all die anderen Paare, die ihr Glück in einem unglücklichen Leben suchten, doch der Glaube war genau so leer, unerfüllt und trügerisch, wie der Glaube an ein göttliches Wesen, das unser Schicksal leitet. Eine Illusion ohne jeden Wahrheitsgehalt, dreckig und verlogen. Unsere Liebe, unser Leben, alles kam mir vor, als sei es kälter als der Tod. Es fühlt sich an, als würde ich auf Rasierklingen laufen, die mich langsam aufschneiden, bis alles Leben aus meinen Adern fließt.
Tatsache ist, ich habe mich verliebt in meinen eigenen Mörder und dir diese Liebe gestanden. Du hast mich fortgeschickt, gesagt, du würdest niemals auf jemanden warten. Jetzt fühlt es sich an, als hätte ich tausende Dämonen in meinem Kopf, die ihre letzte Schlacht kämpfen, und als Verlierer stehe ich schon fest. Am Ende werde ich euch beide verlieren, und mein Leben ist dann noch so bedeutend wie eine Tütensuppe mitten auf dem weiten Ozean. Die Bilder der Vergangenheit zogen an mir vorbei wie ein Film, und an seinem Ende sah ich mich selbst untergehen, wie ein Schiff im Sturm.
Glaube mir, eigentlich habe ich all das nicht gewollt, aber es gab nichts, was ich hätte dagegen tun können. Jetzt stehe ich hier alleine im Regen, am Ende der Straße, in der Sackgasse des Lebens, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Die Tropfen des Regens verschleiern meine Tränen der Verzweiflung und ich stammle eure Namen, abwechselnd und immer, immer wieder, bis alle Kraft aus meinem Körper gewichen ist und ich alleine zurückbleibe, versunken im Strudel der Gefühle.

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