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Jenseits der Stille

Über den Dächern von Nizza begann der Tag danach ...
Dornenvögel sangen das Wiegenlied für eine Leiche ...
Die Dinge des Lebens hatten sich für den Teufel in Seide, der seit der Meuterei am Schlangenfluß und der Meuterei auf der Bounty die Freibeuterin genannt wurde, jäh gewendet. Wer Gewalt sät ...

Die Spaziergängerin von Sans-Souci, die dafür berüchtigt war, ihre Namen beliebig auszutauschen, bestieg den Zug 1650h ab Paddington. Zwölf Uhr Mittags am darauffolgenden Tag erreichte sie die Herberge zur 6.
Glückseligkeit, in deren Empfangshalle stets schmutziger Lorbeer zu stehen pflegte und Aladins Wunderlampe schummriges Licht verbreitete. Ihr hochmütiges Gesicht sondierte schnell und gekonnt die Umgebung, so, als wolle sie fragen "Wie angele ich mir einen Millionär? "

Die Ferien des Monsieur Hulot in diesem Etablissement hatten gerade erst begonnen. Er war der Drehbuchautor, der durch die Filme 'Apokalypse Now', 'Ein Köder für die Bestie' und 'Tod auf dem Nil' weltweit zu Ruhm gekommen war.
Rosemaries Baby, dessen Vater er war, ließ er mit seiner African Queen, so nannte er seine Lebens-gefährtin, schlaflos in Seattle zurück. Eine French Connection ermöglichte ihm den Aufenthalt in diesem verschlafenen Nest, das die drei von der Tankstelle naturbelassen für solvente Feriengäste gepachtet hatten. Das Dschungelbuch mußte sie inspiriert haben, und Robinson Crusoe hätte seine wahre Freude daran gehabt ...

Der Autor brauchte dringend Urlaub von seinem kleinen Schreihals mit dem Spitznamen 'Früchte des Zorns', um hier im Jurassic Park ungestört an seinem neuen Drehbuch 'Die Faust im Nacken' weiterarbeiten zu können. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, für mindestens sieben Filme zu schreiben, denn das Brot der frühen Jahre reichte nicht mehr für seine kleine Familie.

Herrliche Zeiten erhoffte er sich nun in seinem Feriendomizil. Aber mit der Ruhe sollte es schon bald vorbei sein, denn er lernte die zwei Gesichter einer Frau kennen.

Der blaue Engel - ihr Repertoire an Namen war geradezu unerschöpflich - führte sich in Onkel Toms Hütte, wie sie den Gasthof verächtlich nannte, nach dem Motto 'man lebt nur einmal' wie das wilde Schaf auf. "Das Gesetz bin ich", pflegte sie stets brüsk zu sagen, wenn sich wieder einmal jemand über sie beschwerte. Und ihr zischelnder Nachsatz "Hunde wollt ihr ewig leben?" ließ alle auf der Stelle erstarren.

Es war Nachsaison, und außer ihr und dem Autor waren lediglich noch zwei Feriengäste anwesend - die Gräfin von Hongkong und der Kaufmann von Venedig. Niemand hatte eine Ahnung, wer diese mysteriöse Frau, die den Tanz der Vampire so perfekt beherrschte, wirklich war und woher sie kam. Alle spürten eine gewisse, unheimliche Spannung, die über dem Ort lag, und jeder von ihnen machte sich so seine Gedanken.

"Moderne Zeiten", hörte man jemanden murmeln, als sie einmal wie Lawrence von Arabien ver-kleidet das indische Grabmal betrat, wie sie den Frühstücksraum bezeichnete.
Der Graf von Monte Christo, der adlige Herbergsvater, dachte schaudernd bei sich: "Denen man nicht vergibt" ... Er hatte bisher immer Blondinen bevorzugt, aber diese hier, die barfuß im Park herumirrte und jedermann fragte "Lieben sie Brahms?" war nicht nach seinem Geschmack!

Eines weniger schönen Tages erschien My fair Lady nicht wie üblich zum Dinner. Während sich die anderen angeregt über die Ansichten eines Clowns unterhielten, dem das Haus in Montevideo gehörte, und der sich als der Stadtneurotiker einen Namen gemacht hatte, fuhr der Taxi Driver vor. Emil und die Detektive stürmten ins Haus. Ihnen folgte dicht auf dem Fuß Dirty Harry, der Schakal genannt. Seit er den Fall 'Cleopatra', die die Blues Brothers ermordete, so brillant gelöst hatte, waren das Mädchen und der Kommissar Stadtgespräch.

Im Nu verstummte die Unterhaltung, und ein ohrenbetäubender Knall durchriß die Stille. Blut-überströmt und röchelnd wankte unter entsetzten Augen ein Mann in den Speisesaal - nur Pferden gibt man den Gnadenschuß ... "Eine Leiche zum Dessert" ... durchfuhr es den Gastwirt, und ein Aufschrei ging durch den Raum: Bei Anruf Mord!! Schlagartig erinnerten sie sich an die rätselhafte Mordserie, die bis dato von der Soko 'Stirb langsam' nicht aufgeklärt werden konnte.
Allen wurde klar: der sterbende Mann ist Dr. Jekyll und Mr. Hyde -der personifizierte Frankenstein-, eben diese unheimliche Frau, die sich hier in der Pension als 'Alice im Wunderland' in Schindlers Liste eingetragen hatte!

Als ihm seinerzeit die spektakuläre Flucht von Alcatraz gelang - die zwölf Geschworenen hatten ihn des Mordes an Harold und Maude überführt, nachdem ihn die Zeugin der Anklage schwer belastet hatte -, leistete er sich einen ebenso aufsehenerregenden Coup: er gab seinem gerade entlassenen Mithäftling 'Der schwarze Falke' Rosen für den Staatsanwalt mit, die dieser ihm mit den Worten "Leichen pflastern seinen Weg" überreichte.

'Anatomie eines Mordes' war auf dem Abspann zu lesen, und sichtlich beeindruckt verließen zwei glorreiche Halunken das Kino.

(Kurz-Krimi, bestehend aus 83 Filmtiteln)

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