© der Geschichte: Mischa Wyboris. Nicht unerlaubt
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Spiegelfechterei

"Ich war's nicht, verdammt noch mal, ich war's nicht! Wie hätte ich es denn auch tun können?!"
"Ruhe," brüllte er, "die Fragen stelle ich!"
Der Rauch seiner Zigarette umgab ihn; er saß an einem runden Holztisch, der in der Mitte des kleinen Raumes stand. Im Innern war es düster, ein Fenster gab es nicht. Das matte Licht stammte von einer Lampe, die mit Staub bedeckt war und von der Decke tief auf den Tisch herabhing. Sie warf wenig Schatten und machte keinen vertrauenserweckenden Eindruck. So schlicht es war, so unbehaglich war es auch. Irgendwo an der Wand war ein Spiegel angebracht.
Er sah müde und erschöpft aus, fuhr sich unentwegt durch die zerzausten Haare.
"Ich sitze hier jetzt geschlagene acht Stunden, Herr Kommissar; ich hab' Ihnen schon alles gesagt, was ich weiß. Was wollen Sie denn noch hören?"
"Zum Beispiel, wo Sie gestern Nacht zwischen 23.00 Uhr und 23.30 Uhr waren ..."
"Das habe ich doch schon zweimal gesagt: in der Wirtschaft `Zum goldenen Dolch´."
Diese Gaststätte existierte zweifelsohne, jedoch war ihm nicht ganz wohl, als er den Namen nannte.
"Gibt es dafür Zeugen?"
Einen ganzen Tag lang dauerte nun bereits das Kreuzverhör. Und er ließ nicht locker.
"Naja, Mayer war da, und der Schmidthuber. Die können Sie ja fragen."
"Schon geschehen; die wollen Sie aber gar nicht gesehen haben. Na, was sagen Sie jetzt?"
Seine Stimme wurde schärfer, bestimmter. Er hatte sich durch seine stupide Fragerei in eine Falle hineinmanövriert, und ein möglicher Ausweg schien in immer weitere Ferne zu rücken.
"Antworten Sie!! Nichts? Hatten Sie und Ihre Frau einen Streit? Sie wissen schon. Haben Sie sie vielleicht geschlagen?"
Die ganze Zeit hatten sie sich in die Augen geschaut; - jetzt wandte er den Blick von seinem Gegenüber ab und sah betreten zu Boden.
"So war es doch, nicht wahr? Sie haben gestritten, dann haben Sie ein Messer genommen, und ehe Sie sich's versahen, war sie tot! Gestehen Sie doch endlich, geben Sie's endlich zu!!"
Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Herz begann zu rasen. Da hatte er den Salat. Was sagen? Wie entgegnen?
"Aber ich habe sie doch geliebt!"
"Wen? Mich?!?"
"Nein, meine Frau natürlich."
"Ja eben, und dann töten Sie sie so kaltblütig; Sie stechen sie einfach ab?! Zack, ein Hieb, mal hier, mal dort - fertig ist der Meuchelmord?! Mensch, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Brauchte Ihre Küche eine neue Farbe? Rot kann man auch kaufen!"
Er lachte - erst unsicher, dann plötzlich hämisch, heimtückisch, höllisch. Und mit einem Mal war er wieder ruhig und in sich gekehrt, beinahe reuevoll.
"Und? Geben Sie nun endlich auf? Ihr Schweigen wird Ihnen nur Schaden, nicht Nutzen bringen!"
Das war die klassische Sackgasse. Alle Beweise sprachen gegen ihn, Entlastung gab es nicht, und sein gestricktes Alibi hatte sich ebenso schnell wieder in Luft aufgelöst, wie er es sich ausgedacht hatte. Er hatte sich selbst überführt. Da saß er also, ungefähr mit der Angst, die eine Seifenblase einer Stecknadel entgegenbringt.
"Na gut, sie Quälgeist!!!" brüllte er plötzlich laut hervor, "Sie haben gewonnen! Ja, ich war es. Ich habe sie umgebracht. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte es niemand bemerkt."
Er steigerte sich jetzt richtiggehend in seine Rolle hinein, und seine Stimme überschlug sich bisweilen. Es gab nur noch einen Ausweg.
"Keiner, sag ich, keiner hätte es rausgefunden!! Aber Sie mussten ja der Gerechtigkeit nachgehen, immer auf der Suche nach der Wahrheit, wie? Aber was ist das schon, `Gerechtigkeit´, na? Ich will Ihnen was sagen: Sie wissen jetzt vielleicht über mich Bescheid, aber kriegen tun Sie mich nicht. Niemals! Hören Sie? Niiiemaaaals!!!"
Seinen letzten Worten hatte er einen besonderen Nachdruck verliehen, sie waren nahezu geheimnisvoll.
Dann ging alles furchtbar schnell. Er fasste in seine Hosentasche, ergriff sein Messer und rammte es sich in die Brust!
Als er in den Spiegel blickte, sah er den Kommissar mit schmerzverzerrter Miene in sich zusammensinken; er klammerte sich an den Tisch und fiel schließlich zu Boden.
In diesem Moment klirrte die Glühbirne, und es war dunkel im Zimmer.

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