© der Geschichte: Sylvia Schumann. Nicht unerlaubt
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So schmeckt der Sommer

Wie lange ist es her? Drei Jahre. Das glaubt mir keine Sau, denkt Carolin. Wäre schön sich mal wieder zu verlieben, denkt sie noch. Aber auch ein anderes Sinnesorgan ihres geschmeidigen Körpers könnte mal wieder etwas Liebe gebrauchen. Carolin sitzt am Küchentisch und starrt in die Tasse mit Kakao. Zuviel Süßkram, vielleicht bin ich ja wirklich zu fett. Obwohl Paul stand ja drauf, dass ihre Rundungen etwas üppiger ausgefallen sind. Als Metzgerstochter gehörte es sich ja fast ,dick was auf den Rippen zu haben. Ach wenn sie an Paul denkt, wird ihr heute noch ganz anders. Wie er sie immer ansah, bevor er sie küsste. Sie fühlt Hitze aufsteigen zwischen ihren dicken, welligen Schenkeln. Carolin hat ein hübsches Gesicht. Wie so viele dicke Frauen. Ihre Brechstangendiäten halfen meistens nur den Frust und das Gewicht zu verdoppeln. Hätte sie doch wieder einen Paul an ihrer Seite, dann würden ihr die doofen Blicke der schlanken Tussis auch nicht so viel ausmachen. Wie gerne würde sie auch mal so angeschaut werden von vorbeifahrenden Typen, die sich nach ihrem sexy Hintern oder leckeren Titties die Hälse verrenken. Sie wird auch angeschaut. Aber wie. Wie ein fettes Nichts. Früher hat sie ja wenigstens noch gerne ferngesehen, doch da sieht man heute nur noch Traumfrauen. Na ja, nutzt nix, denkt sie und erhebt ihre 120 Kilogramm bei 167 cm Größe vom Stuhl.. Auf dem Weg zur Arbeit als Wurstfachverkäuferin holt sie sich erst mal ein dickes Eis mit Sahne. Es ist heute schon am Morgen sehr warm.

Heute soll es 32 Grad werden. Ihr weiter Rock klebt jetzt schon an den ausgeprägten Backen. Und an den Innenseiten der Oberschenkel hat sie sich schon einen Wolf gerieben. Unangenehm. In der Wursthalle, so heißt der Laden, wird es angenehm kühl sein. Dick und schwitzen passt ja so herrlich zusammen. Dabei schwitzt sie auch nicht mehr als andere Frauen. Paul liebte ihren Duft. Immer Paul. Klar, war der einzige Mann, der sie auch nüchtern noch gebumst hat. Sex hatte sie, klar. Muß ja sein. Aber Carolin hat sich ewig nicht mehr getraut, sich zu verlieben. Die Männer meldeten sich nicht mehr bei ihr. Das kannte sie schon. Aber sie musste ja dankbar sein, dass sich überhaupt jemand auf ihren Wackelpudding legt. Hat sie alles schon gehört.

Hinterher, nachdem man sie benutzt hat. Angekommen. Der Chef ist schon da. Wie immer. "Heiß heute Carolin?" "Oh ja." Sie geht direkt nach hinten. Hände waschen. Schürze anziehen. Ihre langen blonden Haare, ihr ganzer Stolz, zusammenbinden und funktionieren. Sie hat wirklich Haare wie Claudia Schiffer, aber eben nur die Haare. Das hatte sie auch schon gehört. Deshalb trägt sie ihre Mähne auch immer offen, außer bei der Arbeit. Heute gibt's Lieferung, also viel zu tun. Carolin ist vollkommen mit Frischwurstschneiden beschäftigt, als Andreas den Laden betritt. Andreas ist etwas älter als Carolin und sehr schüchtern. Wenn Carolin wüsste, wie sehr er sich wünschte ihre weiße, pralle Haut anfassen zu dürfen, wenn sie seine Gedanken kennen würde, sie hätte keine Komplexe mehr. Er beobachtet sie schon lange. Hat ja keinen Job. Bei jedem Vorstellungsgespräch, bis dahin kommt er ja noch, geht er als Looser heraus, ohne den Job. Wer will schon einen, der sich nicht verkaufen kann? Der den Menschen aus Angst nicht ins Gesicht sehen kann. Andreas Lieblingsjahreszeit ist auch nicht unbedingt der Sommer. Er ist zu groß, zu dünn und zu schüchtern.. Ihn sieht niemand. Ihn beachtet niemand. Im Supermarkt ist er einer von denen die ständig angerempelt werden. Aber Carolin sieht ihn an, stellt ihm die Frage: "Hallo, was darf es sein?" "Du, Dich will ich:" Das würde er gerne sagen. Aber das käme nie über seine dünnen Lippen.

Andreas hat erst einmal mit einer Frau geschlafen, und das war die Mutter seines besten Freundes, die sich ihn als Betthupferl hielt. Richtige Liebe kennt er nicht. Da kommt die Frage. Sie schaut auf, sieht ihn an. Bevor sie fragen kann passiert etwas Seltsames.

Andreas hat wunderschöne blaue Augen, denkt sie. Irgendwie wird der Raum heller. Sie bekommt den Mund nicht auf. Steht wie angewurzelt und stiert Andreas in die Augen. Was ist los mit ihr?, denkt Andreas. Ohne Frage kann ich nichts sagen. Beide bleiben komplett ruhig und stumm. Als senden sie sich all ihre sehnsüchtigen Gedanken zu und empfangen einander, ohne es bewußt zu bemerken. Carolins Chef bemerkt auch, dass da was nicht stimmt. "Hehehe, was soll das denn werden? Das Guck in die Luftspiel?" Stumm gibt Carolin Andreas die Wurst, die er immer haben will. Auch ohne zu fragen kann sie das. Bei der Übergabe berühren sich ihre Hände. Schöne kühle Hände hat sie, denkt er. Ein Schauer durchläuft ihren Körper. Sie hört sich sagen: "Wir könnten ins Kino gehen nach Feierabend."

"Ich hole dich ab." Und damit hatten sie ein Date.
Der Tag verging schnell. Carolin wusste nicht wirklich wie. Andreas ist eigentlich gar nicht ihr Typ. Aber sie hat auch noch nie vorher seine tollen Augen so gesehen. 17 Uhr. Feierabend. Andreas wartet gehorsam an der verabredeten Ecke. Es ist superheiß. Sie entschließen lieber ein Eis essen zu gehen. In der Innenstadt. Diesen Ort meiden eigentlich beide sonst. Zu viele Menschen. Heute ist ihnen das völlig egal. Sie bestellen zwei Eiskanonen mit Sahne. Es ist so, als ob sie nicht reden brauchen. Er nimmt ihre Hand .Es ist alles klar, sie braucht keine Angst zu haben. An der Art der Berührung, der Sanftheit erkennt sie, dass Andreas nicht nur mit ihr ins Bett will, weil auch er keine andere abbekommt. Sie fühlt das Kribbeln, das so sehsüchtig vermisste Kribbeln. Während sie Händchen halten, gucken sie sich um. Die Menschen starren heute gar nicht. Keiner guckt mitleidig oder hänselnd zu ihnen. Es ist, als ob die Welt sie endlich angenommen hat, weil sie sich selbst annehmen können. Endlich fangen sie auch an zu reden. Über ihre Interessen, Gefühle und Gedanken. Bemerken, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben im Guten wie im Bösen. Ein herrlicher Sommerabend. Andreas streichelt sanft ihre Schultern. "Laß uns laufen." Sie bezahlen, gehen, schlendern verliebt wie jedes Päärchen im Sommer durch einen lauen Sommerabend. Im Park küssen sie sich zum ersten Mal. Berauschend. Die Luft, das Grün der Bäume. Die Küsse schmecken so anders als die besoffenen Schnapsknutscher, die sie gewohnt ist. Nach Mehr, nach Begehren. Sie sind allein im Park. Alle Menschen sind auf dem Innenstadtfest. Er hebt ihr verschwitztes Shirt an, um ihre Brüste berühren zu können, verwundert über seine Sicherheit und Lust. Sie zittert als er ihre wiegenden Busen in seinen starken Händen schaukelt. Ihre Brustwarzen werden angenehm hart. Sie werden von einer Welle der Sommerlust mitgerissen, fast wie in Trance. Sie verstecken sich hinter einem großen Busch, den man nicht einsehen kann. Dort lassen sie ihren angestauten Gefühlen freien Lauf. Aus jahrelanger Gefangenschaft befreit, machen sich die Gefühle auf die Reise nach Befriedigung. Carolin verspürt richtige Lust sich streicheln und küssen zu lassen. Am ganzen Körper. Bei ihm macht ihr das nichts aus. Ist wunderschön. Sie spürt auch seine Lust an ihren Beinen liegend. Muß eine große Lust sein. Doch er ist geduldig und zärlich, genießt jeden Zentimeter ihres Fleisches. Das spürt sie. Während er irgendwann sanft in sie eindringt ist es um sie schon geschehen. Ihre Lust hat sich ergeben. Auch Andreas' Begehren bleibt nicht mehr lange so standhaft. So was Tolles hat er sich selbst in der Phantasie nicht vorstellen können. Sie liegen danach noch lange im Gras. Genießen die Sommerluft und malen sich die Zeit zusammen aus. Beide sind verliebt und dankbar für einen Sommer der Liebe, nach vielen Jahren im Schatten der Sehnsucht. Wissen, dass es nun anders wird. Und es wird noch viele Sommer geben.

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