© der Geschichte: Michael Eichhammer. Nicht unerlaubt
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Privatdetektiv Joe Cool in:
Rolle rückwärts

Es war Winter in Amigo City - die Zeit im Jahr, wo selbst diese alte, armselige Stadt schön wird, weil ihr der Schnee ein Brautkleid in klassischem Weiß anzieht.
Und die Zeit im Jahr, wo das ganze Leben zu einem alten Schwarzweiss-film wird - und wenn man Glück hat, ist es einer wie die mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle.
Es war so kalt, daß sich nicht mal die Gangster raus auf die Straße wagten. Schlechte Zeiten für den genauso schlechtbezahlten wie schlechtgekleideten Privatdetektiv, der zitternd auf seine defekte Heizung starrte. Es fällt mir nicht leicht, es zuzugeben, aber ich bin dieser unrasierte, untersetzte Typ.

Winter in amigo City - und Winter in mir. Mein letzter Fall war ein ziemlich tiefer Fall gewesen - die attraktive Schriftstellerin Anna Tomie hatte mich um den Verstand gebracht und den Rest von mir hätte sie auch fast umgebracht. Sie war eine Sex-Bombe...aber eine Sex-Bombe, die nicht ganz richtig tickt. Und es gab nur einen Weg, um sie zu entschärfen - Ich zog erst meine Waffe und dann Leine. Es war ein schrecklicher Anblick gewesen - all das Blut an ihrem Körper, all das Wasserstoff-Peroxyd in ihrem Haar...
Schade eigentlich - Anna Tomie hätte mir die menschliche Wärme geben können, die meine Winterdepression zum Schmelzen gebracht hätte. Aber so ist das Leben eben - hart, aber ungerecht.
Die Türklingel riß mich aus meinen schwarzen Gedanken...
[STILLE]
Ich sagte: Die TÜRKLINGEL riß mich aus meinen schwarzen Gedanken!
[KLINGEL] [TÜRENQUIETSCHEN]

Ingrid Enzien: "Ist das die Detektei COOL FOOL?
Joe: Ja. Mein Motto ist: "Ich lös´ jeden Fall auf jeden Fall". Mein Name ist Cool, Joe Cool.
Ingrid Enzien: Mein Name ist Ingrid, Ingrid Enzien. Ich komme wegen einem Problemchen...
Joe: Nehmen sie doch Plätzchen...äh, Platz
Ingrid: Danke.
Joe: Darf ich ihnen etwas anbieten? Einen Whisky vielleicht?
Ingrid: Gern. Aber geschüttelt, nicht gerührt.
Ingrid: Danke...Prost!
Joe: Ich schau dir in den Ausschnitt, Kleines!
[Gläser klirren; schlucken]
Ingrid: Das ist kein Jim Beam.
Joe: Ich weiß. Aber ich kann mir echt keinen teuren Whisky leisten.
Ingrid: Na ja, Schwamm drüber.
Joe: Wenn sie meinen, daß er dadurch besser wird...

Ingrid: Wie gesagt, ich habe ein Problem...

Ich musterte die Brünette mit detektivischem Spürsinn und erkannte ihr Problem - sie benutzte einen schlechten Rasierapparat - ihr Damenbart war fast so ausgeprägt wie ihre Achselbehaarung, die unter ihrem schwarzen Satinkleid hervorquoll.

Ingrid: Nein, das mit dem Bart meine ich nicht. Ich meine ein anderes Problem.
Joe: Äh, woher...? Ich...
Ingrid: Schon gut, das braucht ihnen nicht peinlich sein. Ich habe das Drehbuch im Voraus gelesen...
Joe: Fahren sie fort.
Ingrid: Nein, Opel - Aber das ist nicht das Thema, über das ich mit ihnen reden wollte. Ich möchte, daß sie einen Mann für mich finden.

Ich musterte mein Gegenüber nochmal und dachte mir: ´Das wird schwierig werden.´
Statt dessen sagte ich aber:
Joe: Warum wenden sie sich nicht an eine Heiratsvermittlung?
Ingrid: Sehr witzig, sie haben wohl Scherzkekse gefrühstückt, mein lieber Herr Cool. Nein, ich suche einen bestimmten Mann - den Mörder des berühmten Schauspielers JOHNNY VOLLDEPP. Wie sie vielleicht wissen, ist er tot in seiner Villa in Dollywood aufgefunden worden - seine Überreste waren in der ganzen Wohnung verteilt: Der Kopf in der Mikrowelle, die Arme im Blumenbeet und der Torso auf dem Klavier...Die Polizei geht davon aus, daß es Selbstmord war, aber das glaube ich nicht. Na ja, Schwamm drüber! Ich will, daß sie die Wahrheit rausfinden!
Joe: Warum interessiert sie das?
Ingrid: Ich bin Journalistin. Ich will die erste sein, die die Wahrheit über seinen Tod schreibt - Der Pulizer-Preis wäre mir sicher!
Joe: Haben sie keine Skrupel?
Ingrid: Nein, keine Angst, ich bin geimpft. Außerdem: in unserem Job muß man über Leichen gehn...Wollen sie eine Zigarette?
Joe: Nein danke, aus dem Alter bin ich raus.

Irgendwie spürte ich es von Anfang an: Irgendwas an dieser Geschichte war so faul, wie die Eier in meinem Kühlschrank. Aber um mir die Heizungsreparatur leisten zu können blieb mir nichts anderes übrig, als den Auftrag anzunehmen. Ich habe zwar nicht BWL studiert, aber ich interessiere mich sehr für die Börse. Deshalb schaute ich gleich nach - meine Börse war natürlich leer. Ich konnte mir also kein Benzin für meinen Trabbi leisten und machte mich notgedrungen zu Fuß auf den Weg zur Villa von Johnny Volldepp.
Der Winter ließ dem Gras weiße Haare wachsen, es war ja auch schon alt. So alt wie dieses trostlose Jahr, so alt wie diese ganze trostlose Stadt...Das waren meine schwarzen Gedanken in der weißen Winterwelt. Ein klarer Fall für einen Detektiv wie mich - die Winterdepression hatte mich wieder voll erwischt.
Das Lachen der spielenden Kinder munterte mich kurz auf. Trotzdem: Früher war alles anders:
Wir hatten als Kinder im Winter Schneemänner gebaut und im Sommer im Gras gespielt- die Kids heute bauen sich Pamela Anderson-Figuren aus Schnee und rauchen dazu Gras.

Endlich hatte ich die Villa von Johnny Volldepp erreicht. Den Weg in das Innere versperrte ein imposantes Eisengitter und ein nicht weniger imposanter Wachmann, der dahinter stand.
Ich wendete einen uralten Detektiv-Trick an, um mir Zutritt in die Räumlichkeiten zu verschaffen. Ich wartete, bis jemand auf das Tor zur Villla zuging - es war offensichtlich das Hausmädchen.
Dann heftete ich mich an ihre Fersen und sagte zum verdutzten Wachmann:
"Ist schon okay, die gehört zu mir!"

Bingo! Ich war drinnen. Weiße Wände, weiße Fließen, weiße Möbel - man konnte fast schneeblind werden in dieser Hütte. Zumindest der Innenarchitekt war vermutlich blind gewesen. Wer hätte Johnny Volldepp einen Vorwurf machen können, falls er sich in diesem Ambiente tatsächlich umgebracht hatte?
Aber nichts erinnerte daran, daß hier ein Mord oder Selbstmord geschehen sein sollte, dachte ich mir, bevor ich auf einer Blutlache ausrutschte. Na ja, schwamm drüber.
Ich fand zwei interessante Dinge: Das eine war ein Zigarettenstummel von der Marke, wie sie auch Ingrid Enzien rauchte. War das Zufall...oder Abfall?
Das andere war der Videoraum. Neben einem Rekorder war ein Schrank mit Videokassetten.
Neben einigen Horrorvideos - darunter auch "Weihnachten mit der Kelly Family" - fand sich das Oevre von Johnny Volldepp. Ich sah mir alle seine Filme an:
Wie so viele Stars hatte auch seine Karriere mit einem Softporno begonnen: "SCHLAFLOS IM SATTEL - ein Erotik-Western mit Meg Ryan und Johnny Volldepp".
[Man hört: Stöhnen und blödsinnige Dialoge a lá: "Hast du einen Colt in der Hose oder freust du dich so mich zu sehen?"]
Nachdem ich mein Mittagessen über den Teppich verteilt hatte, sah ich mir den Rest der Filme an. Leider fand ich nichts Aufschlußreiches heraus. Irgendwie erinnerte mich Johnny Volldepp allerdings an jemanden, den ich kannte. Mir fiel bloß momentan nicht ein, an wen.
Als ich mich aus dem Grundstück schleichen wollte, entdeckte mich der Wächter. Ich versuchte, mich hinter meiner Nase zu verstecken - vergeblich.

Wächter: "Halt! Stehenbleiben!"
Joe: Tut mir leid, ich hab´s eilig - Meine Nase läuft, vielleicht erwisch´ ich sie noch!
Wächter: "Halt, sag ich! Oder ich schiesse!"
[SCHÜSSE]
Der Wächter hatte zwar einige Lampen, Blumentöpfe und Marmorstatuen kaputt geschossen und hätte damit sicher auf dem Oktoberfest einen Teddy gewonnen - aber mit einem so beweglichen und kleinen Ziel wie mir war er überfordert.

Kurze Zeit nachdem ich daheim angekommen war, klingelte es an der Tür.
[KLINGEL, TÜRQUIETSCHEN]
Ingrid: Na, Herr Cool, machen ihre Ermittlungen Fortschritte?
Joe: Mehr als deine Rasierkenntnisse, Baby!
Ingrid: Was erlauben sie sich! Sie sprechen mit einer Dame!
Joe: Von wegen! Das Spiel ist aus - ich weiß, wer du bist.
Ingrid: Au, lassen sie mein Toup...äh, lassen sie meine Haare los!
Joe: So, skalpiert ist die feine Dame - und wer steht da: Der totgeglaubte Schauspieler JOHNNY VOLLDEPP - Ja der DEAD MAN ist im wahrsten Sinne des Wortes nur ein Scheintoter!
Ingrid alias JOHNNY VOLLDEPP: Ich kann alles erklären.
Joe: Nicht nötig, ich weiß Bescheid. Außerdem erklären am Schluß von Krimis immer die Detektive den Fall. Also: Sie haben gespürt, daß ihre große Zeit vorbei war, daß sie ihre besten Rollen schon gespielt hatten. Da blieb nur noch die Rolle rückwärts: Sie haben ihren fiktiven Tod inszeniert, um die Lebensversicherung einzukassieren...Aber ein Rätsel bleibt: Wer ist an ihrer Stelle beerdigt worden?
JOHNNY: Mein Stuntman. Er sah mir so ähnlich, daß ich eines morgens aus Versehen seine Zähne geputzt habe...
Joe: Sie haben ihren Stuntman getötet, nur für das Versicherungsgeld?
Johnny: Aber nein. Ich wollte durch meinen Scheintod noch berühmter werden. Denken sie doch mal nach: All die großen Schauspieler aus Dollywood wurden erst durch ihren Tod unsterbliche Helden - Marylin Montreaux, James Bean, Ingrid Bergfrau, Lake Phoenix...Aber jetzt verraten sie mir, wie sie meine Rolle durchschaut haben?
Joe: Pah, das war nicht schwer - ihr Rasierappart ist genauso schlecht wie ihre Schauspieltalent. Außerdem war ich schon mißtrauisch als sie das erste Mal in mein Büro kamen
Ingrid: Warum?
Joe: Wegen ihrer brünetten Haare: Frauen in trivialen Krimis sind immer blond. Das ist eins der ersten Dinge, die man als Detektiv lernt. Da steht es Schwarz auf Weiß:
Paragraph eins, Absatz 3: "Frauen in Krimis sind immer blond - es sei denn, sie sind Männer."

JOHNNY VOLLDEPP wanderte hinter Gitter. Wahrscheinlich trainiert er gerade in einer grauen Zelle seine grauen Zellen mit Kreuzworträtseln oder er macht seinen alten Traum von einer eigenen Schauspielschule wahr und studiert mit seinen beiden Kellerasseln "Romeo und Julia" ein.
Bei mir ist alles beim Alten geblieben - ich verdiente natürlich keinen Pfennig an dem Fall, meine Heizung ist immer noch so kaputt wie mein Liebesleben und obwohl draußen alles weiß ist, sehe ich schwarz. Aber der nächste Fall kommt bestimmt.

Sprecher:
- Wird Joe Cool die Winterdepression ohne bleibende Schäden überstehn?
- Wer wird für ihn Plätzchen backen?
- Wird er die Liebe seines Lebens kennenlernen? Und wenn ja: Wird sie ihm nicht wie all die anderen Frauen trotzdem davonlaufen, wenn sie ihn beim Casablanca-Spielen mit seinen Barbie-und Ken-Puppen erwischt?
- Gibt es den Weihnachtsmann wirklich?
- Wird es die zensierten Szenen aus Pamela Andersons ´Barbwire´ bald auf Video geben?
EINIGE dieser Fragen beantwortet die nächste Folge von JOE COOL...vielleicht.

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