© der Geschichte: Ludwig Luderskow. Nicht unerlaubt
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Gedankenreise

Glauben, hoffen, beten. Ich tat es lange. Ohne Unterlaß hielt ich Zwiesprache mit ihm: Meinem Gott. Er, der mich führen sollte, ließ mich es fühlen, allein zu sein....Lange Zeit hindurch...lange schon habe ich hier gelegen. Nur manchmal war jemand gekommen und hatte meine Hinterlassenschaften beseitigt. Manchmal kam jemand. Doch meistens blieb ich mit meinen Ängsten allein. Wie oft stellte ich mir die Frage - wie oft - ob ich jemals wieder laufen können würde? ob ich jemals wieder leben kann? Mir wurde in diesen Wochen bewußter, als mir lieb gewesen wäre: daß ich nie zuvor gelebt hatte! was heißt eigentlich Leben? was? Oft tat ich, was andere mir sagten - oft scheute ich das Risiko. Ich hatte mich eingeigelt in meine Zweifel...meine Ängste. Was ist das - Leben?

Wer antwortet mir? wer hilft mir lernen zu leben? oder bedarf ich keiner Hilfe? Liegt es nur an mir? Ich glaube fast ja....

Manchmal kam der Arzt. Schon lange kannte er meine Familie, seit damals, als meine Eltern noch lebten...ja damals...

Was tue ich hier eigentlich? über mein Schicksal klagen? lamentieren? Der Arzt meinte, es läge an mir selbst, daß ich noch nicht gehen könne!

...eines Tages hatte ich mich hingelegt und war nicht wieder aufgestanden. War es Schwäche gewesen? War es das Ende meiner Kräfte? ich vermag es nicht zu sagen...

Andere Menschen - etwa dieser Arzt: steckt nicht in meiner Haut. Er meint, es sei schön, sich nicht bewegen zu können...angewiesen zu sein auf die Hilfe anderer.

Aber ich frage mich: ganz ehrlich: fand ich es bisher schön, behütet zu werden...umsorgt. Nun ja, eigentlich werde ich beides nicht. Ich sehe zwar die mitleidigen Blicke derer, die sich zu mir verirren...Ist es das, was ich brauche? Mitleid? aber warum fühle ich so?...immer war ich stark gewesen! zumindest meinte ich es...ein groß gewachsener junger Mann, der - so meinte ich - das Leben in vollen Zügen genossen hatte ...war verlobt mit dem schönsten Mädchen, das ich jemals sah. Nicht einmal! hatte sie mich in all den Wochen besucht, da ich hier gelegen habe. Warum? hat der Arzt es ihr untersagt? weil ich etwas Ansteckendes habe? ist ihr etwas geschehen? geht es ihr gut?...warum kommt sie nicht? hält meine Hand und hilft mir mit ihrem Lebensmut auf die Beine? warum?

Es liegt an mir, daß ich hier liege! diese Worte gehen mir nicht aus dem Kopf..sehe ich aus den schmutzstarrenden Scheiben meiner Stube sehe ich den Himmel mit seinen Wolken - ab und an Tauben die vor dem Fenster auf- und ablaufen...wie gerne würde ich doch herausgehen! in den nahen Park, der mir zu weit ist.

Was soll ich tun...in meinem Kopf schmiede ich Pläne für den Tag, an dem ich mich endlich erheben werde! vieles will ich tun! die Welt umreisen!

...aber ich fühle mich schwach...immer mehr verlieren meine Glieder an Kraft...habe keinen Appetit...des öfteren hatte ich schon den Gedanken an den Tod...war das alles von meinem Leben? ist dies das Ende? warum stehe ich nicht auf? und gehe davon? suche mein Mädchen? und heirate sie - wie wir es wollten, bevor ich krank wurde...

...es bleibt mir nur eins: hier zu liegen und zu warten...auf was? auf wen? ich weiß nicht...

... aber eines Tages wird diese Tür sich auftun und ich werde es wissen ...dann wird mir geholfen....

...denn alleine vermag ich zur Zeit einfach nichts.....

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