© der Geschichte: Sylvia Schumann. Nicht unerlaubt
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Frank der Schlappschwanz

Frank ist ein schüchterner Junge. Gar nicht häßlich, aber kaum Selbstbewußtsein. Schon als kleiner Junge zog er sich sehr in sich selbst zurück. Er eignete sich einige Mechanismen an, damit die Umwelt ihm nicht direkt auf die Schliche kommt. Wenn er in der Schule saß, sah es so aus als würde er dem Lehrer aufmerksam zuhören, doch er war damals schon nicht anwesend. Das ist auch heute noch so. Er gilt im Berufsleben sowie im Privaten als ausgesprochen hilfsbereit und zuverlässig. Frank ist 19 Jahre und in der AUSBILDUNG zum Kopfschlächter. Das ist gar nicht der Beruf den Frank unbedingt selbst gewählt hat. Sein Vater war anfangs auch auf dem Schlachthof. Und das hat ihm laut eigener Aussage nie geschadet. Sein Vater ist ein alter Macho, der noch heute jedem Weiberrock den Hof macht. Deshalb stört ihn auch gewaltig, daß Frank noch nie eine Freundin mit nach Hause gebracht hat.

Jeden Tag hört er die gleiche Leier; die gleichen verletzenden Sätze wie :" Du Würstchen, wann zeigst Du deinem alten Vater endlich das Du ein Mann bist? Hast immer noch nicht gebumst was?" Oh verdammt, was gehen ihm die Worte an die Nieren. Vielleicht will ich ja auch nicht einfach nur bumsen, denkt er immer. Auf dem Schlachthof machen sie auch nur Witze übers Ficken, Blasen, Titten und Fotzen. Und nur weil er da nicht mitmacht, bekommt er es immer ganz dicke. "Komm raus damit Schwuli, stehst Du auf Pimmellutschen? Willst du meinen? Oder blas unserem Kolonnenaugust einen., dann haben wir Feierabend." So geht das auch da jeden Tag. Kaum zu ertragen für Frank. Frank erscheint den meisten Menschen als schwach und sogar dumm. Doch kaum einer hat soviel im Kopf wie er. Weil er soviel alleine in seinen Gedanken ist, wird er immer mutiger in seiner Gedankenwelt. Er denkt sich immer mehr in seine Welten. Das ist sein wirkliches zu Hause. Vielleicht wenn Mutter noch am Leben wäre, ja vielleicht wäre dann einiges anders. Sie könnte ihn sicher verstehen. Vater ist ein armes Menschenkind. Wird er denn nie verstehen, daß Frank eine Künstlerseele ist. Kein billiger, stinkender Kopfschlächter. Obwohl er auch darin wirklich gut ist. Seine geistige Abwesenheit macht die Viecher total ruhig. Er kann sie einfach enthaupten, als wenn sie bei ihm gerne sterben würden. Aber selbst darüber machen die Kollegen ihre neidischen Witze." Ha, auch die Schweine langweilen sich bei deiner Schwulität." Aber das wird Frank immer egaler. Seine Welt ist eh viel besser als die der doofen Menschen. Er ist nämlich Herrscher in seiner Welt. Da ist er fast soviel wert wie Gott. Er wird auch in der realen Welt bald seinen Erfolg haben. Irgendwann müssen die Idioten ja kapieren wen sie vor sich haben. Langsam entdeckt er, daß er ein ungeheures Talent hat. Er kann die Schwächen anderer Menschen sehen. Die, die versucht werden zu vertuschen. Er erkennt daß die Schwäche derer, die sich über ihn lustig machen, Angst ist. Angst vor sich selbst. Er kennt sich selbst. Deshalb hat er keine Angst mehr. Nun kann er endlich austeilen.

Frank. Er heißt schon lange nicht mehr Frank. Sein richtiger Name klingt wie Macht, Herrschaft. Er darf ihn noch nicht verraten. Dann wäre seine Mission im Eimer. Eines Tages geht Frank wie gewöhnlich zur Arbeit. Auf dem Weg geschieht etwas Merkwürdiges. Heute früh mußte er sich schon wieder die abgelutschten Phrasen seines Vaters über seine Nicht vorhandene Manneskraft anhören. Da hat er sich lieber wieder direkt nach Hause geflüchtet. In seine Gedankenwelt, in die ihm niemand folgen kann. Dort hat er seine Herrschaft von einem mächtigen König übertragen bekommen .Ein Fürst seinesgleichen war Zeuge dieser Krönung. Er ist am Tor angekommen. Das riesige Tor zum Schlachthof. Auf dem Torbogen sitzt ein Mann. Ein wunderschöner, gut gebauter und bronzen glänzender Mann. Feine, fast adlige Gesichtszüge, ein Prinz oder was? Frank hat ihn noch nie vorher gesehen. Der kommt auch nicht von hier, bestimmt nicht. Komisch, daß außer ihm noch kein anderer Mensch hier ist. Sonst stehen sie da schon und erwarten ihn mit ihrem höhnischen Gelächter. Nur er und dieser wahnsinnig schöne Mann sind da. Der Adonis springt vom Tor. Er kommt direkt neben Frank zum Stehen. Er öffnet den Mund. Seine Stimme klingt merkwürdig gurrend. "Ich kenne dich. Auch deinen Grad und deinen Namen." Ich bin gekommen, weil es Zeit ist, daß du Deinen Auftrag erfüllst." "Wer bist Du? Ich kenne Dich nicht." "Aber selbstverständlich kennst du mich. Ich bin schon lange da und beobachte dich. Ich bin der, der du sein kannst mein Freund."

Plötzlich ist alles wieder ganz normal. Adonis ist weg. Frank steht umringt von seinen dickbäuchigen, lästernden Kollegen. "Der kann sie doch nicht alle haben. Steht da und guckt in die Luft, als hätten wir nix zu tun. Komm Schwuli, schlepp mal die Schweine ran." Frank reagiert mechanisch und hört gar nicht wirklich, was die Affen da reden. Er hört noch immer die Stimme seines angeblichen neuen Ichs. Fragt aber zaghaft: "Bist du noch da?" "Ich verlasse dich nicht mehr, denn wir sind eins. Du musst nur tun, was ich dir sage." "Alles werde ich tun und noch mehr. Lange warte ich schon auf dich. Bist du mein Freund?", fragt Frank? "Nein, ich bin dein Feind, aber um Dir zu helfen dein Freund zu werden. Willst du dein Freund werden?" "Vielleicht. Habe ich deshalb die Krönung empfangen?" Keine Antwort mehr. Frank steckt mitten in einem Meer von Schweineblut. Ihm ist plötzlich kalt, fühlt sich allein und weint blutende Tränen ins schon abfließende, absickernde Schweineblut.

Schon wieder soll er die ganze Schweinerei von den zerfetzten Schweinen wegmachen. Er sieht zu wie das Blut vermischt mit Wasser seine Schuhe bedeckt, seine Hosenbeine verfärben sich rot. Plötzlich taucht ein großes Gefühl von Liebe aus dem Innersten seiner Gedärme auf. Die Schweine. Sie lieben es von ihm getötet zu werden, aber haben sie es verdient, daß er die Gabe des friedevollen Todes weiter an ihnen verübte? War er nicht zu höheren Aufgaben berufen? Er muß herausfinden, was ihn so treibt, was er tun muß, seine Mission.

Frank kommt an diesem Tag verändert nach Hause. Sein versoffener Vater fickt wahrscheinlich wieder irgendeine Barschlampe wund. Gut so, hat er Ruhe, die braucht er auch. Er muß sich ganz gezielt auf den morgigen Tag vorbereiten. Dieser soll sein Befreiungstag werden, seinen ganz eigener Indipendence-day. Frank geht auf direktem Wege in sein Zimmer. Er fühlt sich wie auf Schwingen, gleitend und genau seiner Schritte wissend. Er kann seine Gedanken nicht von den Schweinen abwenden. Sie rufen süß und kokett seinen Namen, preisen seine zärtlichen Hände. Am nächsten Tag sollte etwas so Großes geschehen, etwas so Gigantisches, dass Frank es kaum erwarten kann. Während er in seiner Welt versunken sich auf die zu erfüllende Mission vorzubereiten dasitzt, hört er nicht die dampflokomotivenartigen Geräusche seines Vaters, der na sicher eine Barschlampe fickt. Frank hört nichts mehr. Er ist eingeschlafen. Braucht den Schlaf der Unschuldigen und Weisen.

Frank erwacht. Heute ist der Tag. Er fühlt sich ausgeruht und frisch, springt aus dem Bett und zieht sich sorgfältig an. Seltsam, denkt er. Ich höre keine Weisung. Habe ich schon alle empfangen? Er begibt sich ins Bad. Selbst ein Herrscher und König muß kacken. Dort hört er das Schnarchen seines Dads. Frank hat keine Ahnung ob die Tussi noch danebenliegt. Das konnte man bei dem Vater nicht voraussehen. Aber das war ja auch eigentlich unwesentlich für seine Mission.

Er hat sein morgendliches Geschäft erledigt und geht wie jeden morgen in die Küche, um für Vater und sich das Frühstück vorzubereiten. Doch heute macht er dies mit einem Lächeln auf den Lippen. Frühstück ist fertig. Frank weckt seinen Vater, indem er laut an seine Zimmertür hämmert. "Steh auf Du alter Hurenficker. Dein Gnadenbrot ist fertig." Der Vater kommt unrasiert und verkatert in die Küche. " Oh ja, Vater hat die ganze Nacht seinen dicken Schwanz ins Loch gehalten Du Schlaffi. Mir scheint, dass Du langsam anfängst zu begreifen. So möchte ich gerne immer geweckt werden. War nett." "Setz Dich Vater." Jetzt erst bemerkt der Vater die grelle Beleuchtung und die Messerkonstruktionen auf dem Küchentisch.

Frank stellt den Radiorecorder ein. Sanfte, klassische Musik dringt aus den Lautsprechern. Das Lieblingsstück seiner Mama. " Haben wir was zu feiern Junge? Gibt's heute ein Schwein zum Frühstück?" "Sozusagen Vater." Der Vater setzte sich an den Küchentisch. Frank stellte einen großen, flachen Teller vor ihn hin und nahm eines der grazil angelegten Messer vom Tisch. " Ich werde das Schwein jetzt anschneiden Vater." Das ist alles so leicht. Wie bei den Schweinen. Es ist so, als wollte sein Vater durch ihn, durch die Hände eines Königs, erlöst werden. " Ist das nicht der Katzenjammer deiner Mutter, der da läuft?" Da, er dreht seinen Kopf genau in die Richtung. Er will es, schiebt mir sein Schweinehirn direkt entgegen. Jaah Vater, ich kann und werde Dich erlösen.

Das Messer gleitet sanft und beherrschend in die Halsschlagader ein.

Frank ist schon lange vor den anderen am Schlachthof angekommen. Er geht als Erstes zu den Schweinen. Den Schweinen kann er bedingungslos vertrauen. Sie werden ihn nicht verraten. Wie immer fügen sie sich gerne, fast erregt in seine tötenden Hände. Nachdem er fast alle schon an den Fleischerhaken aufgehangen hat, treffen die anderen ein. Das Fließband wird eingeschaltet. Frank schiebt die Schweine aufs Band. Die Auslösearbeit der Schlachter beginnt. Plötzlich schreit einer auf und kippt um. " Was ist da los?" schreit ein anderer. Aus der hinteren Ecke ein Schrei: " In dem Schwein steckt ein Mensch. Scheiße, in dem Schwein steckt ein Mensch.". Der Schreiende hält einen menschlichen Arm in die Höhe. In jedem Schwein findet sich ein Körperteil. Der eben umkippte, ist wieder bei Bewusstsein. Er schreit: "Hier ist der Kopf." Alle erstarren, denn sie erkennen den Kopf von Franks Vater.

Niemand nennt Frank seither noch einen Schwächling oder eine schwule Sau. Er ist der König geworden, denn er kann die Schwächen der Menschen sehen. Er sieht das Licht und ist endlich sein eigener Freund. Und: Er ist schöner als die Sonne. Sein Königreich ist die Psychiatrische, geschlossene Station, und seine Prinzessin ist Schwester Helena. Könnte Mama ihn so sehen, sie wäre so glücklich. Ihr Sohn ein König.

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