© der Geschichte: Sylvia Schumann. Nicht unerlaubt
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Die dritte Geschichte

Notaufnahme. Gestalten sitzen lethargisch wartend an kleinen Tischen. Zwei hübsche Türkinnen an Tisch 1. Mutter und Sohn an Tisch 2. Mann und Frau an Tisch 3. Zwei trübe Jungfern auf der Bank. Von irgendwo aus den hinteren Räumen ertönt ein Schrei:" Mama, warum machst Du das?" Verhaltenes Gelächter, wissende, teilweise Mitleid beinhaltende Blicke werden ausgetauscht. Alle warten. Warten auf den Gott in weiß, der ihnen die Nacht erhellt. Einige warten auf kranke Angehörige, die gerade behandelt werden. Wieder ein Schrei: " Mama. Mamaaa... ." Der betrunkene, zusammengebrochene Mann weint. Weint um seine verlorene Mutter.
Sie ist tot. Schon lange. Er hat das aber nie wirklich verpackt. Niemand therapierte ihn. Niemand kümmerte sich um ihn, als sein Leben zerbrach, weil er nicht verstehen konnte, warum das geschehen konnte, durfte. Heute ist sein zermartertes Hirn und sein Geist im Alkohol ertrunken. Sein Körper hat Schwierigkeiten die einfachsten Funktionen auszuführen. Kaputt vom Leben auf der Straße. Er ist von Sanitätern auf der Straße gefunden worden. Jetzt liegt er gefesselt auf einer Trage in einem grellen, Steril stinkendem Raum. Eben noch war er bei Gott und bei seiner Mutter. ; Was wollen die hier von ihm? Er versteht es nicht wirklich. " Die sollen mich in Ruhe lassen, Mama." Die Sanitäter gehen, müssen den Nächsten von der Straße auflesen, retten. Er ist allein in dem Raum. Jetzt hat er richtig Angst. Er will hier raus. " Mama, warum machst du das mit mir?" Seine letzte Erinnerung an seine Mama war Folgende. Mutti hat die ganze Nacht getrunken. Das geht schon eine ganze Weile so. Manchmal, wenn sie nicht zu betrunken ist, kann sie sehr charmant und lieb sein. Aber das hier ist anders. Mutti hat ganz seltsame Augen. Sabber läuft ihr von den Lippen auf ihr dreckiges Kleid. Sie hat ihren schlaftrunkenen 11- jährigen Jungen aus dem Bett gezerrt." Du hörst mich jetzt an. Bitte hör mir zu. " Er hörte. "Ich will nicht mehr. Dein Vater, die Drecksau ist abgehauen. Konnte das Leben mit uns einfach nicht mehr ertragen Schatz. Aber du, du wirst mich nie verlassen. Du mußt jetzt ganz tapfer sein. Wir gehen an einen ganz besonderen Ort, weißt du? Wir werden für immer zusammen sein." Er will das nicht hören Das alles macht ihm irgendwie Angst, obwohl Mama ganz ruhig spricht. Er versteht das alles nicht.
Da nimmt seine Mutter einen bereitgestellten Kanister Benzin und fängt an das Jungenzimmer einzunässen. Sie hat die Hälfte verbraucht. Der Junge fängt hilflos an zu weinen. "Heul doch nicht mein Engel, gleich gibt es ein großes wunderbares Licht. Paß mal auf. Das wird ehrlich schön." Mutter nimmt ein Feuerzeug. "Du darfst mir zuerst ein bißchen zuschauen und dann machst du es mir einfach nach mein Schatz."Schon brennt sie. Der Junge springt vom Bett, will sie irgendwie löschen. Doch obwohl die Mutter schon lichterloh brennt, und auch der Teppich und die Gardinen Feuer gefangen haben, versucht Mutter ihn noch mit ein wenig Benzin zu beträufeln. Fast wie bei einer katholischen Taufe. "Du bleibst bei mir." "Mama warum machst du das?" Aber Mutter antwortet nicht mehr. Sie brennt noch, doch ihr Herz hat versagt.
Und heute hat er sich endlich entschlossen ihr doch noch zu folgen auf diese Reise an den besonderen Ort. Bevor die Erinnerung an sie ganz erlischt. Mußten diese rot-weißen Männer ihn finden? Er hatte sich einfach fallen lassen. Sich ordentlich die Kante gegeben, und zusätzlich 40 Schlaftabletten genommen. Bei seinem Allgemeinzustand eine fast immer tödliche Kombination. Als er nicht mehr laufen konnte, hat er sich einfach fallen gelassen. Die dachten bestimmt er sei nur superbesoffen. Ein Penner macht nicht freiwillig Schluß. Der Alk und das Leben erledigen das in den meisten Fällen vorher.
Da, plötzlich fühlt er etwas: Eine Gewißheit. Er wird sein ziel doch erreichen. Sie werden ihn nicht mehr hindern können.
Bevor der Arzt das Zimmer betritt, ist der Mann, der besoffene Mann, tot.

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