© der Geschichte: Ewgenij Sokolovski. Nicht unerlaubt
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20. Wenn ein junger Mensch zwanzig Jahre alt wird, ist das mit vielen ziemlich unangenehmen Sachen verbunden, an die ein Unbeteiligter gar nicht zu denken kommt. Und es mag sein, dass all das, was ich hier jetzt schreiben werde, für manche Leute als sinnloses Zeug und dummes Gerede erscheint. Sollte dies der Fall sein, so heißt es, dass diese Leute es entweder nie erlebt, oder erfolgreich verdrängt haben. Aber ich denke, dass das Thema Vielen bekannt und vielleicht auch ihnen aus der Seele sprechend sein wird. Ich hoffe auch, dass falls sich unter den Lesern dieser Erzählung einige Psychologen finden, sie mich nicht an Ort und Stelle für eine falsche Darstellung des Stoffs zerfleischen werden. Kommen wir aber zur Sache.

Zwanzig Jahre scheint für die Jugendliche, eine weit entfernte, fast unerreichbare Hürde zu sein. Eine Hürde, die sie zwar irgendwann erreichen werden, um die man sich aber jetzt noch gar keine Sorgen machen muss. Und plötzlich ist diese Hürde irgendwann da, direkt vor ihnen. Gar nicht so weit entfernt, sondern in der unmittelbarer, fast greifbarer Nähe. Und wenn man diese Tatsache erkennt (so etwa ein paar Monate vor dem zwanzigsten Geburtstag) , dann überkommt so Manchen die Angst, plötzlich alt zu werden. Die ersten zwanzig Jahre des Lebens sind vorbei; diese Jahre waren sorglos und zum Teil sogar kindisch. Jetzt fängt aber die Zeit der Reife, des inneren Erwachsenwerdens an. Man ist nicht mehr ein Teenager, dieser Lebensabschnitt ist nun leider endgültig vorbei. Man fühlt sich jetzt anders und wird auch von der Umgebung anders wahrgenommen, andere Handlungen werden von dir erwartet, sie werden jetzt schon auch auf eine andere Weise interpretiert. All das, was man so lange im Inneren verdrängt hat, ist jetzt plötzlich eingetreten. Und dieser Übergang zum Erwachsensein wird von manchen Jugendlichen sehr schmerzhaft empfunden. Man fühlt sich plötzlich alt, verantwortungspflichtig und sehr, sehr erwachsen. Wo sind die Teenager-Fröhlichkeit, die sorglosen Tage geblieben, als die Welt noch in aller besten Ordnung war? Alles vorbei, endgültig weg.

An dieser Stelle können Sie, natürlich, sagen: " Das ist doch Blödsinn! Warum erst mit 20? Nach dem Gesetz ist man doch schon ab 18 volljährig !" Da kann ich nur lächeln und antworten: " Ja, nach dem Gesetz. Wen interessiert aber das Gesetz? " Es geht doch nicht um irgendein Stück Papier, wo ein Ausschuss von "weisen" Juristen oder Politikern etwas geschrieben und mit einem dicken Siegel gestempelt hat. Diese Leute haben doch mit der Realität nicht gerade viel zu tun. Den genannten Paragraphen unserer Verfassung kann man vielleicht sehr gut in Gerichtsverhandlungen benutzen, in der offiziellen Seite des Lebens. Hier geht es aber um das eigene Selbstgefühl, um die Selbsterkenntnis. Und da hat das Gesetz nichts zu sagen. Jeder muss selbst damit klarkommen und auf die eigene Art und Weise das Problem angehen.

Am leichtesten ist es, wenn man zu diesem Zeitpunkt schon in einer Ausbildung ist und sein eigenes Geld verdient. Dann hat man diesen Stress schon meistens hinter sich. Man hat ihn nämlich schon erlebt, als die Ausbildung angefangen hat. Die verhasste Schule war zu Ende und der Einstieg ins Berufsleben (von den Meisten empfunden als der Einstieg in die Erwachsenenwelt) stand unmittelbar bevor. Die Auswirkungen von dieser Erkenntnis waren dann ungefähr genauso wie die, die nach dem zwanzigsten Geburtstag zum Vorschein kommen. Nämlich die innere Unsicherheit, Unzufriedenheit, Angst vor der Zukunft. Man könnte diesen Zustand den "Syndrom des Erwachsenwerdens" nennen. Wahrscheinlich gibt es in der Psychologie auch einen speziellen Begriff dafür. Wie dem auch sei, man hat es dann leichter. Der Übergang von dem Erwachsensein in das Noch-Erwachsener-Sein ist bedeutend leichter als der vom Kindsein ins Erwachsensein. Denjenigen, der jedoch einen anderen Weg eingeschlagen hat (Abitur, Studium, andere Arten von Weiterbildung), trifft es aber mitten ins "Herz". Er muss all das erst jetzt erleben, und je älter man ist, desto schwieriger fällt es, sich an die rasch verändernde Umstände anzupassen. Zum Glück ist man aber noch nicht so alt, und nach einiger Zeit findet sich der junge Mensch in der neuen Qualität zurecht. Langsam fängt es sogar an, ihm zu gefallen, "erwachsen" zu sein. Man fühlt sich um das Vielfache höher als die Milchbuben um ihn herum. Man kann auch mit der magischen Zahl "20" bei der Umwelt einen besseren, respektvolleren Eindruck machen. Stellen Sie sich doch vor: Man lernt neue Leute kennen, und wird, natürlich, irgendwann nach dem Alter gefragt. Was klingt wohl besser, "Ich bin Zwanzig" oder "Ich bin Neunzehn"? Obwohl es vom biologischen Standpunkt her fast gar kein Unterschied ist, wirkt das Erste viel positiver und stärker auf die Leute. Den Jüngeren gefällt es, in Gesellschaft von älteren Freunden zu sein, weil sie dadurch nämlich ihren eigenen Wertgefühl steigern. Nach dem Motto: "Guckt mal an, wen ich zum Freund habe. Er ist schon Zwanzig!". Und die "wirklichen" Erwachsenen behandeln dich jetzt noch mehr als den Ihresgleichen. Was aber das Wichtigste ist - auch das andere Geschlecht scheint von dieser Zahl fasziniert zu sein. Es ist ja schließlich allgemein bekannt, dass es "cool" ist, einen älteren Freund bzw., Freundin zu haben (in gewissen Grenzen natürlich).

So kommt es dann, dass wenn man nach dem Alter gefragt wird, das stolze Wort "Zwanzig" aus dem Munde kommt. All die Sorgen sind vergessen, und man stürzt sich wieder in den Fluss des Lebens hinein. Man ist immer noch sehr jung, und das Leben hat ja wirklich erst angefangen. Es gibt so viel Neues auf der Welt, so viel zu erfahren, so viel zu entdecken. Da scheint es wirklich lächerlich, sich wegen irgendeiner blöden Zahl (obgleich sie das eigene Alter angibt) ernsthaft Sorgen zu machen. Das Leben ist schön, man sollte es genießen.

Du denkst jetzt wahrscheinlich, dass solche Krisen schon hinter dir liegen, aber nein. Das stimmt nämlich nicht.

Bis zur nächsten Krise, junger Mann. Bis zur Midlife-Crisis. Und die wirst du nicht so leicht überwinden können. Denn da wird es nicht so viele Vorteile im Älterwerden geben. Aber bis dann hast du noch vieeeel Zeit. Denk nicht drüber, denn so wird das Leben leichter fallen.

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