© der Lyrik: Linda Budinger.

Dämmerung - eine Ballade

Manchmal beim Wein in später Nacht
steigen Erinnerungen auf so sacht
wie Luft vom Grunde der Seen.
Einst wanderte ich im Dämmerwald
da sah ich eine schimmernde Gestalt
wie schwebend zu einer Lichtung geh'n.

Aus Büschen traten weit´re Gestalten
ihr Anblick zwang mich anzuhalten
und ich verharrte im Dunkel.

Zwei Frauen waren es und ein Mann,
ich schlich noch näher leis' heran,
gebannt vor Neugier war mein Sinn.

Sie grüßten ohne Worte sich,
schwiegen lange und ich sah, das Licht
sammelte sich da wo sie standen.

Ihre Gesichter weder jung noch alt,
doch wie die Berge, das Meer, der Wald,
waren von elbischer Art.

Sie atmeten den Zauber vergess'ner Lieder,
spiegelten Märchen und Sagen wider,
waren sie Geister, waren Geist?

Die Erste hub zu sprechen an,
mit einer Stimme wie des Meeres Klang
und dunkel gleich dem Flußgemurmel:

"Das Wasser ist verleidet mir,
giftige Meere voll totem Getier
und leis' erstickende Seen."

Die anderen lauschten ihrem Wort,
als sie geendet, fuhr der Zweite fort
und sprach wie Windesheulen im Gebirg`:

"In grauer Luft fehlt jedes Vogels Sang,
der Ruf des Adlers lange schon verklang,
erdrückend stumm die Berge steh'n."

Die Dritte wob ein düsteres Bild:
sterbende Erde, kahler Wald ohne Wild,
- so ruhig wie Bäume rauschen.

"Wir sind die letzten, leben verborgen,
blieben einst um hier zu sorgen
für Schönheit und Leben dieser Welt."

Nacht schlich sich langsam in den Wald,
als ich so weiter lauschte, wurd's mir kalt
und Furcht kroch in mein Herz.

Verlassen wollten die Hüter die Erde, den Menschen übergeben nun das Erbe mit wenig Hoffnung auf die Wiederkehr.

Schon zeigte sich der Sterne Glanz,
die Elben einten sich zum Tanz,
bewegten sich nach stiller Melodie.

Ein helles Leuchten sprühte überall,
in einen Strahl wie Feuer und Kristall
gehüllt, verschwunden waren sie.

Verzaubert lief ich zu den Buchen
der Elbentänzer Spur zu suchen,
doch fand ich sie nicht mehr.

Feines Gewebe hing am Zweige dort,
ich nahm es zur Erinn'rung fort,
zu wissen, daß ich wachte.

Einsame Nacht und dunkler Wald
sie wurden fremd mir jetzt und bald
gelangte träumend ich nach Haus'.

Im Schleier sah ich grau, braun, grün,
sich umeinander windend, Wirbel zieh'n
- verschlungen wie im Tanz.

Ich trag dies Tuch oft in der Hand,
es flattert über Feld, Wald, Land -
mein Wunsch im Winde weht.

Nachts zieht's mich oft zu jenem Ort,
Tanzschritte üb' ich einsam dort
im tiefen Waldesdunkel.


Linda Budinger 1991

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