von Thomas Kohlschmidt

Der rote Planet hat die Menschen stets beschäftigt. Ob als Symbol des Kriegsgottes, als Heimat der grünen Männchen oder als Lieblingsobjekt moderner Forschung: Der Mars weckt Träume.

Im Jahr 1965 erreichte die erste Raumsonde der Menschheit den Mars.
Damit war die Suche nach Antworten auf alle offenen Fragen an unseren Nachbarn im All eröffnet, die Teleskope allein nicht hatten beantworten können.
Die amerikanische Sonde Mariner 4 absolvierte damals am 14.7. einen Vorbeiflug am Mars und näherte sich bis auf 9846 km an. Es konnten 22 Aufnahmen von der Oberfläche geschossen werden, die aber für alle diejenigen eine riesige Enttäuschung waren, die an einen lebensfreundlichen Planeten geglaubt hatten. Der rote Planet präsentierte sich öde und kraterübersät, fast wie der Mond. Zwar hatte man erst 1 % der Oberfläche fotografiert, aber ein Teil der Mars-Faszination war dahin. Konnte es hier Leben geben?
Die Marsforschung wurde trotz der Ernüchterung von den Großmächten USA und UdSSR weiter voran getrieben.

1971 dann kam es dann zur ´Revolution in der Marsforschung:
Mariner 9 schwenkte am 14.11. in eine Umlaufbahn um den Planeten ein und hatte nun wesentlich mehr Zeit, ihre Instrumente auf die Oberfläche zu richten, als bei einem Vorbeiflug gegeben gewesen wäre. Man konnte - nachdem ein heftiger Staubsturm endlich abgeklungen war - fast 7000 Bilder schießen. Auf diesen waren neue und überraschende Details zu erkennen: Nur im Süden ist der Mars mit Kratern übersät, im Norden ist die Oberfläche sehr eben und glatt. Der Süden liegt viel höher (Hochländer) als die Tiefen des Nordens. Konnte das als ´Kontinente´ und ´Meeresböden` interpretiert werden? Man entdeckte Vulkane (u.a. Olympus Mons), gewaltige Schluchtensysteme und verschiedene Arten von Tälern (manche davon ähnelten Netzen, wie sie auf der Erde Bäche, Flüsse und schließlich Ströme bilden). Das alles ließ darauf schließen, dass der Mars keineswegs tot wie der Mond war. Er könnte womöglich einmal eine dichte Atmosphäre besessen haben, die sogar das Vorhandensein vom flüssigem Wasser möglich gemacht hatte. Schnee und Regen wären dann für das Herausschneiden der Täler an der Oberfläche verantwortlich. Demnach konnte es in der Marsvergangenheit sehr wohl einmal lebensbegünstigende Rahmenbedingungen gegeben haben. (Heute glaubt man eher, dass die Täler durch unterirdischen Transport von Grundwasser und nachfolgendem Einsturz der Oberfläche entstanden sind).
Die Sowjets hatten fast zeitgleich eine Sonde im Orbit: Nur wenige Tage nach Mariner 9 trat Mars 2 in einen Umlauf ein und setzte eine Landekapsel ab, die aber eine Bruchlandung erlebte. Auch die Nachfolger Mars 3 (ebenfalls 1971) und Mars 5 (1974) waren recht erfolglos, weil ihre Technik vor Ort versagte.

1975 war das erklärte Ziel der beiden Viking-Missionen (Viking 1 und Viking 2) die Suche nach Leben auf dem Mars. Man rechnete nicht gleich mit grünen Männchen, wohl aber mit Mikroben, Flechten oder Kleinstlebewesen. Die Vikings bestanden jeweils aus einem Orbiter und einem Lander. Als die Lander im Jahr 1976 beide aufsetzten, war man sehr gespannt, ob all die Laboratorien an Bord bei der Anwendung ihrer Verfahren nun fündig würden. Aber alle Hoffnungen wurden bitter enttäuscht. Die Auswertung aller Experimente brachte letztendlich negative Ergebnisse. Es wurden auch keine Anzeichen organischer Substanzen im Marsboden selbst gefunden. Der Boden schien oxidierend zu sein, was die Existenz organischer Materie nicht zulässt.
Diese kalte Dusche ließ das Interesse am Mars vorerst erlahmen.
1989 erreichte lediglich die UdSSR-Sonde Phobos 2 den Mars und machte 30 Wärmebilder am Äquator.

Im Sommer 1996 schlug eine Meldung plötzlich wie eine Bombe ins Bewusstsein der Öffentlichkeit ein:
Eine Forschergruppe der NASA um David McKay glaubte, in einem in der Antarktis entdeckten Meteoriten Spuren ehemaligen Lebens entdeckt zu haben. Und dieser Meteorit stammte vom Mars! (Die Ergebnisse werden bis heute kontrovers und z.T. hitzig diskutiert).
Wie auch immer die Wahrheit dabei aussah, die NASA begann unabhängig von dieser Meldung einen wissenschaftlichen Großangriff auf den roten Planeten, und auch die Russen wollten ihre Sonde Mars 96 auf den Weg bringen . Die Russen hatten aber wieder einmal Pech und die 4. Stufe ihrer Proton-Rakete zündete nicht, so dass die Sonde in den Pazifik stürzte.
Die amerikanische Pathfinder-Mission hatte mehr Erfolg. Die am 4. Dezember 1996 (einen Monat nach dem Mars Global Surveyor) gestartete Sonde, landete publikumswirksam direkt am amerikanischen Unabhängigkeitstag (4.7.97) auf dem Mars. Pathfinder hatte seinen `Bruder`, den Orbiter Mars Global Surveyor, also überholt, denn dieser schwenkte erst zwei Monate später, am 12.9.97, in die Marsumlaufbahn ein, bekam aber während des Bremsmanövers Probleme mit einem instabilen Sonnensegel und näherte sich auf einem Pannenkurs dem Mars näher als geplant an. (Die Sonde musste im Folgenden einige Manöver mitmachen, um die Kursabweichung zu kompensieren).
Mit Pathfinder wurden derweil nach über 20 Jahren Pause zum ersten Mal wieder Bilder einer Bodensonde vom Mars zur Erde gefunkt. Ein kleines Marsmobil, der Sojourner, umrundete den Lander und wurde zum Star der Medien. Der versprengte Mars Global Surveyor brauchte indes noch über ein Jahr, bis er im Frühjahr 1999 endlich seine endgültige Umlaufbahn erreicht hatte. Doch der Anflug-Flop erwies sich nachträglich als Glücksfall: Es konnten durch die starke Annäherung wertvolle Erkenntnisse zu lokalen Magnetfeldern des Mars gewonnen werden. Der Orbiter tastet die Oberfläche des Planeten mit einem Laserstrahl ab und sammelt so Reliefdaten über Höhenunterschiede geologischer Strukturen. Der Mars wird kartiert.

Japan hatte am 3.7.98 seine Sonde Nozomi (Hoffnung) gestartet, die aber wegen Triebwerksproblemen nicht, wie geplant, im Oktober 1999 den Mars erreichen konnte, sondern erst im Jahr 2003 ankommen wird. Nozomi soll die Atmosphäre und ihre Wechselwirkung mit dem Sonnenwind erforschen.

1999 wurde für die Amerikaner zum ´Jahr der Hölle`, was Marsmissionen angeht: Die zum Jahreswechsel 98/99 gestarteten Raumsonden der Doppelmission Surveyor 98 mussten ein Desaster erleben. Der Mars Climate Orbiter, der ursprünglich die Atmosphäre und ihre Dynamik aus der Umlaufbahn heraus untersuchen sollte, zerschellte im September 99 auf der Oberfläche des Planeten. Es hatte einen Umrechnungsfehler vom metrischen ins amerikanische Messsystem gegeben!
Der Mars Polar Lander, vorgesehen zur Landung am Südpol und für geologische Analysen bis 1 Meter Tiefe, landete zwar am 3. Dezember auf dem Mars, gab aber keinen Piep von sich. Der Funkkontakt war nicht zu errichten, es gab keine Daten.
Mehrere Monate später berichtete die BBC, die NASA hätte schon lange vorher gewusst, dass die Missionen scheitern würden, hätte aber Pannen vertuscht und Daten gefälscht, um die Missionen nicht verschieben zu müssen. Die NASA ist ja schon länger unter Beschuss wegen ihrer angeblich zu ungünstigen Kosten/Nutzenrelation. Die Devise ´Schneller, Billiger, Besser`, die NASA-Chef Daniel S. Goldin seit den radikalen Kürzungen des NASA-Haushaltes durch den Senat Anfang der 90er Jahre verfolgte, steht nun im Kreuzfeuer der Kritik. Die NASA hat in den letzten Jahre, unter dem Kosten/Leistungsdruck stehend, überproportional Personal abgebaut und sich auf viele, kleine Missionen verlegt, anstatt auf gezielte Großprojekte. Nun wird von einer Strukturkrise der Weltraumbehörde gesprochen.

Ursprünglich sollte Anfang 2001 die Doppelmission Mars Surveyor 2001 - wieder mit Orbiter und Lander - in Richtung Mars aufbrechen. Es sollten detaillierte mineralogische Untersuchungen erfolgen, und mit Hilfe eines Rovers (Marie Curie) chemische Tests des Bodens und der Atmosphäre vorgenommen werden.
In Anbetracht der NASA-Probleme wurde Mission nun allerdings verschoben.
Auch der Plan, bis Ende des Jahrzehnts Gestein vom Mars zur Erde zu bringen ist durch die Diskussionen und Verzögerungen nicht mehr zu schaffen. Man hatte vor gehabt, Steine mit Hilfe eines Lander/Rover-Gespanns zu sammeln, die Probebehälter in den Orbit hinein rückzustarten und hier zu parken, bis eine französische Sonde sie einsammelt und mit zur Erde nimmt.
Die Idee des bemannten Raumflugs, in letzter Zeit wieder ins Gespräch gekommen, dürfte nun durch die Misserfolge auch erst einmal wieder einen Dämpfer bekommen haben. So ein Flug wird als viel zu teuer angesehen, aber es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, die über Szenarien nachdenken, solch eine Mission finanzierbar zu machen. So gibt es z.B. die Idee, den Treibstoff für den Rückflug zur Erde auf dem Mars selbst zu gewinnen. Vielleicht wird es auch ganz neue Formen internationaler Finanz-Kooperation und diverse Sponsorallianzen geben.

Für das Jahr 2003 bereitet die europäische Weltraumorganisation ESA den Einsatz ihrer ersten Sonde zur Planetenbeobachtung vor. Das Gerät soll ´Mars Express´ heißen, und nach Absetzen eines Landers soll die Oberfläche mit neuesten Geräten aus europäischer Produktion kartiert werden. Mit Mars Express will Europa den Spitzenplatz in der Wissenschafts- und Technik-Gemeinde einnehmen, den es sich seit den 80er Jahren u.a. durch den Bau von einzigartigen Instrumenten höchster Qualität erobert hat.

Quellen: `Zwischen Sonne und Pluto - Die Zukunft der Planetenforschung - Aufbruch ins dritte Jahrtausend´ von Holger Heuseler, Ralf Jaumann, Gerhard Neukum, 1999, BLV Verlagsgesellschaft mbH, Seite 92 bis 106 `Jahrtausendprojekt Mars - Standort All: Chancen und Schicksal der Menschheit` von Jesco v. Puttkamer, 1997, Albert Langen/Georg Müller-Verlag ´Star Observer´, Ausgabe 5/2000 Mai, Artikel ´Mission to Mars - Traum und Wirklichkeit` von Marcus Anhäuser, Seite 12 bis 25, Space Science Zeitschriftenverlag GmbH.

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