Lofotentörn 04.08.- 24.08.2001


von Dorothea Schaefer




Morgendliche Stille, kurz nach Sonnenaufgang - so kommt es mir vor.

Wir liegen im Trollfjord in den Lofoten, an einem kleinen Steg umgeben von hohen Bergen und ganz allein.

Plötzlich ein ungewohntes Plätschern neben der Bordwand. Ich entschließe mich, die gemütliche Koje zu verlassen und die Ursache des Geräusches zu suchen. Noch im Niedergang erreicht mich ein Ruf von draußen: "Iii… ist das kalt!" "Stell dich nicht so an - mach weiter, mehr nach links!"

Ich strecke den Kopf aus dem Niedergang und werde mit den Worten begrüßt: "Guten Morgen - bring mal die Zange mit."

Zwei Crewmitglieder stehen bis zum Bauch im eiskalten Wasser des Fjords, bewaffnet mit der Pütz und diversen Werkzeugen - und ernten Miesmuscheln.

"Hier sind noch ganz viele - nein weiter drüben, die sind größer!" Volker, unser Spezialist für Haute Cuisine, dirigiert sein Ernteteam souverän. Schon wird der erste gefüllte Eimer an Bord gebracht. Innerhalb kurzer Zeit reicht die Ausbeute für ein fantastisches Muschelmenü.

Rolf läßt es sich nicht nehmen, noch eine Runde ums Schiff zu schwimmen. Schließlich hat man nicht jedes Jahr Gelegenheit, so weit nördlich des Polarkreises zu baden.

Es ist der 4. Tag unseres Lofotestörns.
In Bodö sind wir an Bord der Segelyacht Charisma gekommen.
Volker- Marketingberater und excellenter Koch, Rolf - Maschinenbauingenieur - scheut kein kaltes Wasser, Hubert - Marketingspezialist und Peter - Professor für Filmtechnik - wetteifern in der Zubereitung traumhafter Frühstücksbuffets, Dorothea- Apothekerin- verbinde alle Verletzungen und kuriere alle Leiden ( habe zum Glück nicht viel zu tun ).

Unser Skipper Constantin, der uns an Bord der Swan 441 begrüßte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns sicher durch die fantastischen Landschaften der Lofoten und der westnorwegischen Küste zurück nach Cuxhaven zu führen. Die SY Charisma ist zwar nicht mehr die Jüngste - 20 aufregende Jahre hat sie schon vorzuweisen. Aber durch Constantins Einsatz und ständige Pflege ist sie in hervorragendem Zustand und perfekt ausgerüstet. Wie wir schon nach kurzer Zeit erleben, zeigt sie ein perfektes Seeverhalten und wunderbare Segeleigenschaften.
Nur ungern verlassen wir den Trollfjord. Aber es liegen noch über 1000 sm und - wer weiß - andere kulinarische Erlebnisse direkt aus der Natur vor uns.

Das Wetter bleibt wechselhaft. Mal gleiten wir an dunstverhangenen hohen Bergen vorbei und sehen hinter jeder Felsnase einen Troll sitzen. Dann wieder kommt die Sonne heraus und wir erleben die Lofoten im strahlenden Licht des hohen Nordens. Mal schläft der Wind ein, so daß wir motoren müssen. Dann wieder kommt ein perfekter Segelwind auf und wir rauschen unter Vollzeug mit schäumender Bugwelle durch die Schärenlandschaft.

Zwischenstopp in A, dem Ort mit dem weltweit kürzesten Namen. Hierher kamen in früheren Jahren die Lofotenfischer im Winter, um im Vestfjord von offenen Booten aus den Kabeljau zu fangen.

Das Dorf steht unter Denkmalschutz. Man findet die typischen Lofotenhäuser, auf Pfählen direkt am Wasser gebaut, in denen die Fischer während der Zeit des Lofotenfischfanges unter primitivsten Bedingungen wohnten. Daneben sind die Gestelle zum Trocknen des Fisches. Stockfisch war ein wichtiges Handelsgut.

Beim Gedanken an die Arbeitsbedingungen dieser Männer fühlen wir uns in unserem High tech Ölzeug fast schon overdressed. Voller Hochachtung vor den Lebensbedingungen der Lofotenfischer früherer Jahre kaufen wir bei einem ihrer modernen Berufskollegen frischen Fisch ein - schließlich muß Volker mit Material für neue Küchenkreationen versehen werden.

Wir verlassen A und segeln Richtung Süden. Allmählich verschwindet die bizarre Kulisse der Lofoten in einem fast unwirklich schönen Sonnenuntergang. Wir segeln in die Nacht hinein. Beim Leuchtturm Ternholmerne tauchen wir in den Schärengarten ein. In einer solchen Nacht - traumhaft klar, nicht allzu kalt, mit herrlichem Sternenhimmel - geleitet von zahlreichen Seezeichen und Leuchtfeuern durch das Labyrinth des inneren Schärengartens zu navigieren ist ein Erlebnis, das so schnell keine Wiederholung finden kann. Niemand aus unserer Crew - obwohl alle segelerfahren - hätte ohne Constantin dieses Bravourstück der Navigation wagen können.

Immer weiter geht es nach Süden. Wir passieren den Polarkreis. Die Schären sind mal kahl und glatt, mal schroff, zum Teil bewaldet. Wir kommen durch enge Durchfahrten zwischen hohen Bergen und über weite offene Passagen. Ständiger Begleiter sind die Schiffe der Hurtigroute, die zwischen Bergen und dem Nordkap sowohl den Post- und Transpostdienst verrichten, als auch Touristen auf der schönsten Seeroute der Welt befördern. Das Wetter bleibt wechselhaft. Von leichten Winden, die uns das Segeln unter Vollzeug genießen lassen, bis zu steifen Winden, bei denen Genua IV und Groß im 3. Reff erforderlich sind, gibt es alle Varianten. Ständige Aufmerksamkeit und Anpassen der Besegelung lassen niemanden untätig bleiben. Dann wieder gibt es Passagen bei schlechter Sicht, die nur unter Radar zu bewältigen sind. Die Natur läßt kaum eine Variante aus.

Endlich sind wir in Bergen. Wir machen am Pier von Bryggen fest, wo zur Zeit der Hanse das Handelszentrum zwischen den Hansestädten war. Heute herrscht hier touristischer Hochbetrieb.

Wir nehmen uns Zeit zur ausgiebigen Stadtbesichtigung . Dabei darf natürlich ein Einkauf auf dem berühmten Fischmarkt nicht fehlen. Volker läuft zu großer Form auf, zunächst beim Einkauf und abends beim Menue. Kommentar der Spülcrew: das Essen war göttlich, doch zum Glück gibt es nicht noch mehr Töpfe und Geschirr an Bord.

Weiter geht es in Richtung Süden. Wir passieren Haugesund und erreichen schließlich die offene Nordsee. Sie empfängt uns zunächst stürmisch, so daß wieder Segelwechsel und reichlich Arbeit anstehen. Im bewährten überlappenden Wachsystem geht es für die nächsten 3 Nächte und 2 Tage weiter. Wieder wird uns von steifem Wind bis zur Flaute alles geboten. Exakte Steuerleistung und gute Seemannschaft müssen von allen erbracht werden. Dafür werden wir mit traumhaften Nachtfahrten bei sternklarem Himmel und hervorragendem Seeverhalten unserer Swan belohnt.

Wir erreichen Helgoland bei strahlendem Sommerwetter. Völlig ungewohnte Kleidung kommt zum Einsatz: kurze Hosen un T-Shirts.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages legen wir Richtung Cuxhaven ab. Die Fahrt elbaufwärts ist ein weiterer Höhepunkt unserer Reise. Wir halten uns außerhalb des Fahrwassers und haben reichlich Gelegenheit, riesige Containerfrachter und andere Großschiffe bei der Vorbeifahrt zu beobachten.

In Cuxhaven, dem Endpunkt unserer Reise wird gründlich Reinschiff gemacht. Danach gibt es ein letztes gemeinsames Frühstück. Es fällt allen schwer, die Charisma zu verlassen und sich von unserem Skipper Constantin zu verabschieden. Er hat uns einen anspruchsvollen Hochseetörn vorbei an traumhafter Landschaft geboten und seglerisch viel lernen lassen. Durch ihn sind wir zu einer fröhlichen und harmonischen Crew zusammengewachsen.

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