Frankfurter Buchmesse
Verpasste Gelegenheit - Interview mit dem Autor Thorsten Küper

"Von Frankfurt aus ist es noch eine richtige Odyssee bis nach Dreieich - vor allem ohne Auto", schrieb mir Ende August Thorsten Küper als Antwort auf meine mail. Außerdem noch, dass die Zeitplanung für seine Lesung ... nun ja ... eben immer noch nicht feststeht. Somit war für mich der Konflikt vorbereitet: Ohne Auto auf der Buchmesse und die Unmöglichkeit zu planen. Die Lesung mit Thorsten wäre für mich einer der Höhepunkte im Buchmessestress gewesen und mutierte nun zur verpassten Gelegenheit. Thorsten machte es mir jedoch leichter, bei dem BuCon nicht anwesend zu sein: Er sagte zu einem Interview und zu einem Bericht seiner Lesung auf der BuCon einfach "Ja".

Thorsten Küper ist ohne jegliche Übertreibung ein Multitalent: Er schreibt nicht nur Cyberpunk (ihn nur darauf festzulegen, wäre mehr als unfair), sondern auch Satiren, Kritiken und Drehbücher. Er wird ständig bei Nominierungen diverser Awards der SF-Szene benannt und hat dieses Jahr den zweiten Platz beim Deutschen SF-Award erreicht, was mich vermuten läßt, dass nächstes Jahr die ganz große Cyberparty steigt.

Thorsten veröffentlichte seine Kurzgeschichten u.a. in "c´t", "Nova", "Solar Tales", "Alien Contact", "Solar X", "Criminalis", im KBV Verlag ("Mords Eifel"), Verlag Robert Richter ("M@usetot"), G. Meyers Taschenbuchverlag ("Sinzigs Arche").
Er schrieb Drehbücher zu "between the line", "Versuch zu lächeln" und "Frauen".
Das ist nur ein kurzer Einblick in seine Arbeit - wer mehr davon wissen möchte, dem sei Thorstens Cybercafe Sublevel 12 (www.sublevel12.de) empfohlen.

Hallo Thorsten, nach dieser doch sehr langen Einleitung die erste Frage: Frustriert es Dich, nie unter den Gewinnern diverser Awards zu sein oder ist "dabei sein" alles?

Die meisten Autoren freuen sich erst einmal über ihre Nominierung. Bei mir ist das jedenfalls so und so war für mich der Tag, an dem ich über die Nominierung informiert wurde, immer ein kleiner Festtag.
Was nun die Platzierung angeht, so sieht es nun einmal so aus: Sind zwölf Storys nominiert, so ist die Wahrscheinlichkeit Eins zu Zwölf auf den ersten Platz zu kommen. Keine besonders große Wahrscheinlichkeit. Das Endergebnis bei so einem Award hat meine Freude über die Nominierung bisher noch nie getrübt.

Mit dem Cyberpunk ist das übrigens so eine Sache. Die berühmten Cyberpunk-Erfinder wie Sterling und Gibson behaupten ihrerseits immer, dass es Cyberpunk gar nicht mehr gäbe. Ich sehe darin Geschichten, in denen die aus der Technik keine Bereicherung sondern eine Bedrohung erwächst. Wissenschaft wir dort zum Machterwerb missbraucht, oder um die mächtigen aus zu hebeln. Und es gehört noch so eine Art technologische Romantik dazu, in der die Hauptfiguren ihren Maschinen, Computern, oder Software regelrecht verfallen sind, so sehr, dass sie abhängig von ihnen geworden sind.
Außerdem finde ich das Wort Cyberpunk einfach nur cool…

Wettbewerb findet auch bei Ausschreibungen bzw. Einreichungen von Kurzgeschichten zu Magazinen statt. Kannst Du für uns mal aus dem "Nähkästchen plaudern" wie Du es immer wieder zu Veröffentlichungen schaffst?

Da hatte ich bislang wirklich ein glückliches Händchen. Irgendwie hatte ich in praktisch hundert Prozent der Fälle eine Antenne dafür, was ich wo unterbringen kann. Bei einem der ganz großen Verlage habe ich es noch nie versucht, denn wenn man sich mit der Materie befasst, sieht man schnell, dass diese fast keine Anthologien mehr herausbringen.

Ich kann jedem Autor nur raten, sich erstmal einen Überblick über Magazine und Anthologien zu verschaffen und sich kritisch zu fragen, ob seine Arbeit dorthin passt. Eine einigermaßen saubere Form sollte man schon abliefern, aber ich habe mich bislang noch nie ans Standardseitenformat gehalten und auch meine Rechtschreibfehler haben bisher noch nicht zu einer Ablehnung geführt. Zum Schluss muss die Geschichte schlicht und ergreifend eben den Redakteur überzeugen - und das ist eine Geschmacksfrage. Ich würde die Story dann auch noch mal an anderer Stelle anbieten. Hagelt es mehrere Ablehnungen hintereinander, sollte man nicht an eine Verschwörung glauben, sondern das ganze einfach noch mal überarbeiten.

Für den Einstieg würde ich jedem nahe legen, in Fanzines zu schreiben, oder Kurzgeschichtenplattformen im Internet wie kurzgeschichten.de oder storyline-net.de zu nutzen. Dort erhält man eine Resonanz, die oft keine Rücksicht auf die Gefühle des Schreibers nimmt, dafür aber sachlich und vor allem auch hilfreich ist. Irgendwie muss man ja üben.

Deine Story "Hayun" ist ein schon fast diplomarbeitsreifes Beispiel dafür, das SF sich manchmal selbst überholt. Fühlst Du Dich als Visionär, wenn Du schreibst und wie kommst Du zu Deinen Ideen für eine Story?

Als Visionär? Nö, das wäre Quark. Bestimmte Themen liegen einfach auf der Hand. "Hayun" habe ich geschrieben, kurz bevor die Raelianer behaupteten, ein Baby geklont zu haben. Damit haben sie aber selbst in Wahrheit wohl auch nicht viel mehr als Science Fiction produziert. Dafür haben sie mit ihrer vermutlichen Falschmeldung aber einige Leute doch sehr ins Grübeln und wohl auch Schwitzen gebracht, denn früher oder später wird so etwas geschehen. Es ist nicht mal ein Zufall, wenn solche Geschichten von der Realität überholt werden, denn Themen wie Gentechnik und Klonen sind absolut zeitgemäß und werden in der SF fast schon überstrapaziert. "Hayun" hatte übrigens auch nicht wirklich mit Klon-Babys zu tun.

Im Sommer hatte ich eine Story in c`t in der es um Drohnen geht. Ein oder zwei Monate später las ich einen Artikel in New Scientist über militärische Drohnen, die über mehrer Tage hinweg exakt ihre Position einige hundert Meter über der Erde halten können. Solche Drohnen hatte ich auch in meiner Story beschrieben, aber die Idee stammte natürlich nicht von mir, denn ich hatte vorher schon in der Presse viel über das Thema gelesen. Die Ideen kommen aus dem Alltag, den Nachrichten, Dokumentationen, oder während ich mir die Zähne putze überm Waschbecken.
Da ist mir 95 auch eine Story über einen geklonten Jesus eingefallen. Etwas später kamen mehrere Romane zu dem Thema raus. Die hatten meine Story natürlich nicht gelesen, - wie sollten sich auch, sie war in einer Auflage von zwanzig Exemplaren in einem Fanzine erschienen ;-) - erst recht nicht abgekupfert, die Idee war einfach sehr nahe liegend.

Bekanntermaßen schreibst Du auch Drehbücher und übst Dich als Schauspieler in Deinen eigenen umgesetzten Drehbüchern. Erzähl doch bitte etwas darüber (Lampenfieber, Unzufriedenheit, Perfektionismus und dann noch die eigene Stimme auf der Tonspur ...).

Ich stehe auf Filme, bin damit groß geworden und bin der Gegenbeweis für die These, fernsehsüchtige Jugendliche würden nicht lesen. Ich habe in meiner Jugend Bücher verschlungen und gleichzeitig ferngesehen. Aber als Filmfan steht für mich fest, dass ich gerne auch selbst welche herstellen möchte.
Da einige Leute aus dem "thunderbolt" darunter ganz maßgeblich Uwe Post und ich der Meinung waren, dass das nicht so schwer sein kann, haben wir uns ans Werk gemacht.
Die Idee: Für ein Budget von Null sollten kleine Filme entstehen, die von Profis stammen könnten. Gerade haben wir "Herr J." fertig gestellt, eine kleinen, schwarzhumorigen Film Noir, unser 5. längeres Video.

Ich würde mal so sagen: Beim Schreiben habe ich einen professionellen Anspruch, beim Filme machen natürlich auch. Nur ist es viel schwieriger einen Film wirklich professionell aussehen zu lassen, als eine Geschichte, bei der man die Kontrolle über jeden Satz hat. Bei Filmen kommen viel mehr Faktoren dazu: Schauspielerei, technische Pannen, dann sieht`s am Computer doch nicht so aus, wie man gern hätte, oder irgendwo im Hintergrund fährt ein Zug durch den Ton. Tja und dann kriegt man die Leute erst im Herbst wieder alle zusammen, obwohl man die erste Hälfte der Szene im Sommer gedreht hat.
Deswegen sehen unsere Filme bei weitem noch nicht so aus, wie ich sie gern hätte, aber man lernt eben dazu. Es wird jedes Mal ein bisschen besser, doch solange dürfen wir uns nichts vormachen: Noch sind es Amateurfilme, da muss sich noch einiges verbessern - Filmen ist also ein bisschen mehr Hobby als Schreiben.

Wie hast Du den Buchmesse-Con erlebt? Ich hoffe, es gab viele interessierte Zuhörer bei Deiner Lesung und - hast Du auch einen Abstecher auf die Buchmesse gemacht?

Zum Abstecher auf die Buchmesse fehlte mir leider die Zeit. Der Con war klasse, das kann ich so sagen und auch die Lesung hat mir viel Spaß gemacht. Auch wenn ich es den Zuhörern mit den vielen Dialogen, die ohne Text vor Augen schwer zu verfolgen sind, etwas schwer gemacht habe.

Zum Schluss eine Frage, deren Antwort ich schon immer wissen wollte: Man sagt ja, dass Cyberpunker total verkabelt (also Rechner, TV, Radio an, Handy in Reichweite, CD-Player auf voller Lautstärke) schreiben. Ich denke, es ist ein Gerücht oder ... ?

Nein, alles Fakten, dieses Interview findet schließlich vor einem Computer statt, während rechts von mir der Fernseher flimmert. Dass ich keine Kopfhörer aufhabe, um noch Musik zu hören, liegt nur an meiner heftigen Erkältung. Jedes Mal wenn ich huste, fühlt es sich so an, als würde mein Hirn an die Unterseite meiner Schädeldecke knallen. Deswegen verzichte ich ausnahmsweise auf ein paar Kabel…oh, Moment, das Handy klingelt gerade, ach ja, und mein Hirninterface empfängt eine Nachricht von Alpha Centauri …

Wir hoffen, dass Thorsten trotz der sicher interessanten Nachricht von Alpha Centauri auf unseren Planeten und uns somit als Autor erhalten bleibt und danken ihm herzlich für dieses via mail geführte Interview.

Außerdem empfehlen wir seinen Bericht über seine Lesung auf der BuchmesseCon.

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