"Geschöpfe der Dunkelheit - Anthologie der Storyolympiade 2001"

Trotz der Probleme bei der Storyolympiade 2001 (Storyline berichtete) konnte vor kurzem die Anthologie mit den 23 von der Jury ausgewählten Siegergeschichten herausgebracht werden. Thema der Storyolympiade 2001 und somit der Anthologie waren "Geschöpfe der Dunkelheit".

Aufgrund der Vielzahl der Autoren ist es unerläßlich, daß das Thema entsprechend vielseitig interpretiert wurde. Es fällt aber auf, daß die Jury wohl eindeutig die humoristischen Geschichten favorisiert, was angesichts des Themas manchmal etwas seltsam und deplaziert wirkt. So handelt die Siegerstory "Groome sind ausgestorben" von Sabine Meyer von verschiedenen Höhlenwesen, die von einem Ungeheuer gefressen, aber letztlich gerettet werden können. Die Geschichte ist gut erzählt und hat auch Humor, allerdings wirkt sie auch etwas sinnlos, da genaugenommen viel geschrieben aber nichts von Belang erzählt wird - und gruselig bzw. unheimlich oder düster ist hier nicht wirklich etwas.

Auch der zweite Platz, "Der unbekannte Feinschmecker" von Corinna Jaeger, ist gut erzählt - die Geschichte von Kellergeistern, die unerkannt Weinfässer leertrinken, ist in Mundart humorig erzählt, aber hat die gleiche Schwäche wie die Siegerstory: es bleibt nichts zurück und es passiert in der Geschichte noch weniger als in der Siegergeschichte. Wer sich unter "Geschöpfe der Dunkelheit" einen kalten Schauer und gruselige Geschichten vorstellt wird deshalb von den ersten zwei Kurzgeschichten nicht bedient.

Es gibt aber auch humoristisch angehauchte Geschichten in der Anthologie, die mich mehr überzeugen können. So z.B. "Sympathy for the devil" von Angelika Brox, in der ein Selbstmordkandidat per E-Mail aus der Hölle kontaktiert wird. Die Geschichte bindet geschickt das Internet als neues Medium ein - und die Idee, daß ein Teufel aus der Hölle sich per Farbausdruck vom Tintenstrahldrucker in unsere Welt begibt ist - wie einige andere Dinge in der Story - wirklich originell. Diese Kurzgeschichte ist für mich das erste Highlight in der Anthologie - steht leider aber auch erst an sechster Stelle.

Ähnlich gelungen ist Uwe Frinkers "Zeugnis", in der ein Dämon, der dafür sorgt, daß im Leben so manches schiefläuft, um ein Zeugnis seines menschlichen "Opfers" bittet.

Skurril und lesenswert wird es auch, wenn in "Ein kühler Sommer" von Ruth Jahn der Held der Geschichte in seinem Kühlschrank ein merkwürdiges Wesen entdeckt, das einer ganzen Rasse von Wesen angehört, die in Kühlschränken leben und sich untereinander durch die Barcodes auf den Verpackungen unserer Lebensmittel austauschen (diese Geschichte hat den 18. Platz erreicht).

Interessant und lesenswert finde ich auch noch "Katzenmond" von Sabina Luger, die eher sf-orientierte Geschichte "Die Chlorophyll-Affäre" von Bernhard Schneider, "Joint Venture" von Thomas Michel, das schaurige (und damit eher eine Ausnahme) "Chateauneuf-du-Pape" von Martin Herbst und "Roter Schnee" von Gabi Scharf.

Ansonsten stellen für mich leider in der Anthologie neben den allzu lustig gemeinten Geschichten vor allem die vier Vampirgeschichten einen Schwachpunkt dar. Vielleicht liegt es daran, daß der Vampir in der Literatur und im Film schon aus allen erdenklichen Blickwinkeln beleuchtet wurde und es somit sehr schwerfällt, dem Thema etwas neues oder interessantes abzugewinnen. Gerade die Vampirgeschichten sind oft recht vorhersehbar, auch wenn sie gut erzählt sind.

Die Anthologie wirkt dann auf mich am besten, wenn es etwas dämonischer oder zauberhafter wird und Geschichten erzählt werden, die etwas erzählen wollen, die eine tiefere Bedeutung transportieren möchten und wenn Humor nicht zum Selbstzweck wird sondern mit interessanten Einfällen und guten Geschichten kombiniert wird.
Wer sich unter "Geschöpfe der Dunkelheit" Zombies, John Sinclair oder Horror allgemein vorstellt, wird in der Anthologie aber leider nur wenig von Interesse finden. Freunde von Vampirgeschichten finden einiges Material - allerdings auch nichts neues.
Wer sich gerne amüsieren möchte und nicht länger über das Gelesene nachdenken will, findet mit einigen lustigen Geschichten sicherlich auch etwas.

Übrig bleibt bei mir der Eindruck, daß die besten Geschichten der Anthologie im Mittelfeld und zum Ende hin vergraben sind. "Geschöpfe der Dunkelheit" als Titel der Anthologie wirkt genaugenommen auch etwas irreführend, da es - zusammen mit dem Cover - eine Thematik impliziert, die für Liebhaber und Kenner des Genres nur teilweise getroffen wird. Horrorfans, die Clive Barker und Co. bevorzugen, sollten deshalb wohl besser die Anthologie nicht erwerben. Ansonsten lassen sich für 7,70 EUR ein paar ausgezeichnete Geschichten in der Anthologie finden - aber leider auch vieles, das keinen tieferen Eindruck hinterläßt. Stilistisch sind alle Geschichten gelungen. Und die Anthologie stellt den Beweis, daß es genügend talentierte phantastisch orientierte Autoren in Deutschland gibt - nicht nur den Massenschreiber Wolfgang Hohlbein oder den Shootingstar Andreas Eschbach. Wenn sich dann noch hier und da eine wirklich gute Idee dazugesellt hätte, könnte die Anthologie überzeugen. So aber gibt es ein wenig zu oft einen faden Beigeschmack.

[geschrieben von Thomas]

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