Quasar 19 - Irrlichter 4

"Schmierenpoeten"


Besprechung eines Zines

Der Titel des Zines "Schmierenpoeten" könnte zu Mißverständnissen führen - doch keine Sorge: auch die Herausgeber sagen deutlich im Vorwort:

"...womit wir aber keineswegs behaupten wollen, auch sie
[die Autoren, A.d.R.] wären Schmierenpoeten ..."

In meiner Besprechung des Zines kann und möchte ich nicht auf alle Geschichten eingehen - auch der Inhalt ist nur kurz beschrieben, um die Freude am Lesen nicht zu mildern.
Manche der Geschichten sind einfach nicht das "Genre", welches ich lese bzw. mich interessiert und somit bespreche ich sie fairerweise nicht.

Der erste Text in diesem Zine stammt von Stefan T. Pinternagel, der sie "Ungeziefer" tituliert hat und die Herausgeber haben gut daran getan, diese satirisch angehauchte mit Symbolismus versehene Kurzprosa an erste Stelle zu setzen. Der Autor schreibt von einem Literaten, der sich als schmarotzendes kleines Wesen in der Wohnung seines Protagonisten Theodor Perngham einquartiert hat und dort die Wände mit seinen literarischen Ergüssen verziert. Es gibt Geschichten mit so hintergründiger Ironie, deren Sinn man nicht in Frage stellt, die gut geschrieben sind und welche die Eigenschaft haben, tagelang beim Lesern im Kopf "herumzuspuken". Diese gehört ohne jeden Zweifel dazu.

"Freiheit, die ich meine", ist eine Geschichte, die von Armin Möhle geschrieben wurde. Bernhard Kellermann, erfolgloser Autor und ausgehalten von seiner Frau Daphne, schmiedet einen höllischen Plan, um noch mehr - nicht etwa von seinen schriftstellerischen Ergüssen - , sondern von seiner Frau zu profitieren. Armin Möhle ist mir als Autor bisher unbekannt gewesen und nach dem Lesen seiner Kurzgeschichte empfinde ich das als Mangel, denn "Freiheit, die ich meine" ist vom ersten bis zum letzten Satz sehr gut geschrieben. Dem Leser wird ein stilistisch gut geschriebener Text und ein ansprechender Inhalt mit einem pointierten Ende geboten.

Auch Heike Reiters Geschichte "Die Freiheit des Skribifax" ist gut geschrieben. Hier trifft der Leser auf die seit der Faustchen Erzählung bekannte Regel und somit ist ihr Protagonist Alvar und seine Geschichte keine sonderliche Überraschung und zumindest Alvars Ende vorhersehbar - doch die Autorin schreibt einen äußerst gelungen "Epilog". Außerdem kam ich nach dem Lesen ins Philosophieren, ob Bücher so etwas wie Seele haben (vielleicht) und/ oder diese sich verselbständigen können (hoffentlich nicht).

Eine weiterer Höhepunkt des Bandes ist "Raumkoller" von Wolfgang Bolz - Science-fiction mit Überraschungsfaktor und einen Hauch von Zynismus: Raumschiffe verschwinden spurlos, Besatzungen bringen sich gegenseitig um und die Menschheit steht vor einem Rätsel, welches Kapitän Zorg lösen soll. Wie er das tut, gehört zu den besten Erzählungen des Bandes. Dem Autor gelingt es den Spannungsbogen bis zum Schluß zu halten. Hervorragend geschrieben!

Auch einen bei storyline-net bekannten Autor finde ich in diesem Zine: "Von der dreifachen Wandlung zum Ich" heißt Jakob Anderhandts gelungene Kurzprosa - das Schreiben über das Schreiben und ein Autor, der sich dreimal wandelt, um schließlich mit seinem Werk Die Reise nach dem Nichts den Literaturförderpreis zu erhalten. Das Schreiben über das Schreiben mit durchaus kritischen Gedanken mag einfach klingen, ist es aber nicht und so finde ich hier wieder den bekannten Stil des Autors (den ich, ganz unverhohlen gesagt, sehr mag) wieder. Eine der Geschichten, über die man noch lange Zeit nach dem Lesen nachdenken kann.

"Schmierenpoeten" ist ein gut gemachtes Zine mit insgesamt 12 Kurzgeschichten und bietet dem Leser, was dieser von einem solchen erwarten kann. Das Einzige, was ich als Mangel empfinde, ist die etwas zu klein geratene Schriftgröße des Fließtextes. Ein Umstand, der in vielen Zines anzutreffen ist und möglicherweise mit den Druckkosten zu tun hat. Aber das tut dem Inhalt keinen Abbruch.

Auffallend sind die Grafiken in diesem Band, von denen einige als echter Augenschmaus zu bezeichnen sind, z.B. von Gabriele L. Berndt und Klaus G. Schimanski. Einige der in "Schmierenpoeten" enthaltenen Kurzgeschichten sind m.E. nach so gut, dass sie den Vergleich mit einer herkömmlichen Anthologie bestehen könnten - wenn es denn in der deutschen Phantastik-Szene mehr Anthologie-Veröffentlichungen in Verlagen geben würde. Leider ist dies nicht so und gerade deshalb sollte sich der Interessierte auch ab und zu solchen Zines zuwenden.

Fazit:
"Schmierenpoeten" ist - als Zine - das mit Beste, was ich in diesem Jahr gelesen habe.

Bestellen könnt Ihr das 104 Seiten starke Zine für nur 3,50 Euro bei:

PRBCBS c/o Uwe Brunzlow
Klarastr. 15a
55166 Mainz

uwe.brunzlow@t-online.de

[geschrieben von Gabi]

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