Rote Frauen

von Reinhard Rohn.

Roman. München: Goldmann, 1999.

Manchmal führt der Durchbruch für einen Schriftsteller in die Ausweglosigkeit. Als Michael Bacher, bis dato Kolumnist für ein Klatschheftchen, den Detektiv Dick de Loo erfindet, ahnt er nicht, daß seine Schöpfung ihn mit wachsendem Erfolg aussaugen wird wie ein Vampir, um zuletzt auch von den kleinsten Kleinigkeiten seines Lebens Besitz zu ergreifen. Bacher beginnt seine Ideen aus anderen Romanen zu stehlen und entfernt sich - im Gleichschritt mit seiner wachsenden Vorliebe für Kognak - schließlich völlig von der Wirklichkeit.

Doch die Wirklichkeit holt ihn ein, als er eines Morgens in einem Regionalzug der rothaarigen Eliza begegnet. Gleichermaßen fasziniert ist Bacher von Elizas Gesicht mit den hohen Wangenknochen, ihren graugrünen Augen und dem herbstlichen Duft ihrer Haare. Bis er sie das nächste Mal trifft, vergehen sieben Jahre. Dick de Loo ist inzwischen abgesetzt und der Erfolgsautor vollständig dem Alkohol verfallen. Unter einer Zeitung notdürftig versteckt hält Eliza eine Waffe.

Bacher meint, das "Geheimnis" der mysteriösen Frau nun lüften zu müssen. Nur so, denkt er, kann sein Leben neuen Sinn bekommen. Doch wenige Stunden später findet er Eliza ermordet in einem Hotelzimmer auf. Bacher, der von dem Vorsatz nicht ablassen will, macht sich an die Erkundung ihrer Vergangenheit. Mit jeder Erkenntnis rückt sie näher an seine eigene. Kannte Eliza seine Jugendliebe Marie? Was weiß Lilith, Elizas beste Freundin, über die Beziehung der beiden? Im Strudel der Fragen wird Bacher zum Opfer einer Erpressung. Nun steht zumindest eines fest: Über den Tod hinaus besitzt Elizas Leben Sprengstoff für ein neues Verbrechen ...

In hervorragender Atmosphärik nähert Rote Frauen seinen Schauplatz Köln den Dimensionen einer amerikanischen Großstadt an. Auch wegen seiner äußerst sorgfältig komponierten Handlung ist der Roman ein mutiger Versuch. Reinhard Rohn zeigt, daß deutsche Enge und Provinzialität keine Eigenschaften eines Straßenpflasters sind, sondern ihren Ursprung in Gehirnen von Autoren, Verlegern und Feuilletonisten haben. Wenn Rote Frauen trotzdem scheitert, dann liegt das eben darum an seiner Größe. Ein Köln samt solcher Charaktere, wie der Autor sie schildert, schwebt zu sternenweit über dem, was wir täglich über die rheinische Metropole hören oder lesen. Einmal mehr heißt das aber Lob: Der Roman schafft ein Ideal, er ist seiner Zeit voraus, und es wird nicht seine Schuld sein, wenn die Zeit ihn niemals einholt.

[geschrieben von Jakob Anderhandt]

 

zurück