Phainomenon

von H.D. Klein.
Heyne 2003

Diese Tage ist der neue SF-Roman von H.D. Klein erschienen, der mit seinem Debut "Googol" (ebenfalls hier bei Storyline besprochen) vor ein paar Jahren sich eindrucksvoll in der SF-Szene meldete und bewies, das gute Science Fiction nicht zwangsläufig aus dem englischsprachigen Raum stammen muß.

Natürlich ist die Erwartungshaltung nach einem sehr gut gelungenen Erstlingswerk hoch, deshalb war ich auch entsprechend auf "Phainomenon" gespannt.

Das Buch, nur ein paar Jahre in der Zukunft angesiedelt, handelt von einer Shuttlebesatzung, die im Erdorbit kurz vor Wiedereintritt plötzlich den Befehl erhält, die Rückkehr zur Erde zu verschieben und statt dessen einige Erdumkreisungen mehr zu vollführen. Das Shuttle soll so in die Nähe eines UFOs gelangen, das von den USA schon seit geraumer Zeit verfolgt wird. Es gibt die einmalige Chance, mehr über das mysteriöse Objekt herauszufinden.

Das UFO nähert sich schließlich dem Shuttle und nach einigem Hin und Her entscheidet man sich dafür, zwei Leute in Raumanzügen hinüberzuschicken, um das Objekt näher zu erkunden. Als sich die beiden Besatzungsmitglieder sogar Zutritt zum UFO verschaffen können, geschieht das Unglück. Das UFO - zusammen mit dem Shuttle in unmittelbarer Nähe - vollführt einen Zeitsprung und man findet sich plötzlich knapp 10.000 Jahre in der Vergangenheit wieder. Während das UFO bei den damals im Bau befindlichen Pyramiden von Gizeh landet, bleibt das Shuttle mit der Besatzung erstmal im Orbit und es gilt nun ohne Bodenstation heil zur Erde zurückzukehren.

Dies gelingt natürlich und heil zurückgekehrt findet man heraus, daß die Pyramiden nicht nur viel älter sind als von den Wissenschaften bisher angenommen, sondern daß sie auch einem ganz anderen Zweck entsprachen. Und natürlich wollen die Helden einen Weg nach Hause zu finden...

Soweit ein Grundriß des ersten Teils des Buches. H.D. Klein verquickt in seinem Roman Zeitreisen, Pyramidenkult, etwas ägyptische Geschichte und eine Prise Atlantissaga zu einem leider recht enttäuschendem Cocktail. Dies liegt vor allem daran, daß die Elemente seiner Geschichte allesamt bekannt sind und Klein dem Thema keinerlei neue Facette abgewinnt und zum anderen leider daran, daß er seine Charaktere sehr stiefmütterlich behandelt, so daß sie bestenfalls zu Abziehbildern werden, denen man einige Eigenschaften anheftet. So im Falle des religiös geprägten Ehepaares an Bord des Shuttles, der recht stolzen Französin afrikanischer Herkunft oder dem von Nationalstolz durchtränkten amerikanischen Kapitän des Raumschiffes - schlimmstenfalls bleiben die Akteure völlig belanglos, wie der russischstämmige Astronaut an Bord oder ausgerechnet eine der Hauptfiguren des Romans: der Deutsche Thomas Schweighart.

Man erfährt praktisch nichts über die Charaktere, sie agieren lediglich, Introspektive gibt es so gut wie gar keine. Und anstatt Einsichten in seine Charaktere zu bieten und sie für den Leser interessant zu machen, gibt es statt dessen seitenlange Führungen durch die im Bau befindliche Cheops-Pyramide oder eine beinahe ebensolange Schilderung der Shuttlenotlandung im alten Ägypten. Klein hat sich viel Mühe gemacht, seine Theorie der Pyramidenerbauung zu schildern und Actionszenen ausführlich zu beschreiben, auf der Strecke bleiben leider fast vollständig die Charaktere und die Innovativität der Handlung.

Problematisch ist auch, daß das Ende des Buches für jemanden, der sich auch nur ein wenig mit ägyptischen Pharaonen auskennt, schon bei der ersten Schilderung des "Widersachers" erahnbar wird.

Ein weiteres großes Problem ist, daß Klein nicht nur die Charaktere, sondern erstaunlicherweise auch sein Szenario sehr vernachlässigt. Es wird nichts erforscht, es wird nichts herausgefunden, man erfährt weder mehr über Atlantis, noch über das Volk dort, noch über all die anderen Dinge, die in Kleins Szenario Interesse verursachen könnten, statt dessen konzentriert sich alles auf eher oberflächliche Schilderungen der Kulisse. Warum Klein sein ohnehin nicht gerade originelles Szenario derart vernachlässigt bleibt rätselhaft. So stellt sich fast nie ein Sinn für das phantastische oder wundervolle ein. Alles wirkt seltsam profan und belanglos.

So plätschert dann alles mehr oder minder dahin. Man folgt der Handlung zwar mit gewissem Interesse, aber auch nur, weil man sich fragt, ob denn nun jemand zurück in die Gegenwart gelangen wird. Zwischendrin jedoch gibt es kaum Interessantes. Es gibt die üblichen Klischees, wie man sie schon dutzendfach gesehen und gelesen hat. Gerade das Thema Zeitreisen birgt die Gefahr, sich in Ungereimtheiten zu verlieren, das dann auch noch mit den auch nicht minder ausgelutschten Pyramiden- und Atlantisthemen zu verbinden, erscheint mir recht unglücklich. Man denkt unwillkürlich an Stargate und Erich von Däniken. Und beide haben das Thema auch noch interessanter behandelt.

Der Aha-Effekt am Ende, bzw. der Überraschungseffekt ist nur dann einer, wenn man nichts über das alte Ägypten weiß. Wobei das Ende auch nur ein Versatzstück anderer Zeitreisegeschichten ist.
Es ist schade, daß H.D. Klein mit "Phainomenon" keinen adäquaten Nachfolger von "Googol" präsentieren konnte. Kann man nur hoffen, daß der nächste Roman wieder in besseres Fahrwasser gerät.
Der Versuch einer Zeitreise ins alte Ägypten verschenkt leider alle Möglichkeiten, bleibt an der Oberfläche und man fragt sich nach Ende des Buches, warum Klein 556 Seiten dafür brauchte. Ohne die aufgeblähten Actionssequenzen, ausufernden Beschreibungen des Pyramidenbaus und dem sehr langwierigen Beginn (es dauert fast 300 Seiten ehe das Shuttle überhaupt notlandet) hätten es 300 Seiten oder so auch getan. Es hätte besser getan vor allem, den Hauptcharakteren mehr Leben einzuhauchen, damit sich so etwas wie Interesse beim Leser einstellt. So bleibt alles recht egal und die Spannung bezieht sich allein daraus, wer denn nun in die Zukunft zurückkehrt, wer - obligatorisch wie bei fast allen Zeitreisegeschichten - der Meinung ist, in der Vergangenheit bleiben zu wollen, weil man dort seine Bestimmung gefunden hat und wer ums Leben kommt.

Reichlich wenig angesichts des Themas, das, wenn auch wenig originell, sehr viel Raum für mehr gelassen hätte.
"Phainomenon" ist somit nicht mehr als seichte, wenn auch routinierte, Lektüre für Zwischendurch, vielleicht etwas für heiße Sommertage am Pool. Als SF-Roman allerdings ist das Buch leider eine Enttäuschung.

[geschrieben von Thomas]

 

zurück