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Der Tote in der Ming-Vase
von Jakob Anderhandt
Beijing
im Herbst 1998. Thomas Fisch, der es bislang nur zu einem abgebrochenen
Studium gebracht hat und eher zufällig in die chinesische Haupstadt
gelangt ist, soll den Mord am Geschäftsführer eines deutsch-chinesischen
Joint-ventures aufklären.
Mittels einer überdimensionalen Ming-Vase schmuggelt er die Leiche
nach Deutschland, um gerichtsmedizinische Erkenntnisse zu erhalten. Doch
was haben ein General, ein chinesischer Hippie und der Assistent des Toten
mit dem Verbrechen zu tun?
Fisch, der gleichermaßen naive wie heldenhafte Kämpfer für
Gerechtigkeit, deckt im Lauf seiner unkonventionellen Ermittlungen ein
Netz aus Korruption, Intrigen und Erpressung auf. Nur das Tatmotiv bleibt
bis zum Schluß im dunkeln...
so lautet der Klapptext des neuen Buches von Jakob Anderhandt.
Überraschungen bietet das Buch viele. Einerseits den ungewöhnlichen
Stil des Autors, zum anderen die für Europäer fremde Umgebung
und Kultur, in die die Handlung integriert ist. Auch der Fortgang der
Geschichte an sich birgt viele unvorhergesehne Wendungen.
Angenehm überraschend ist der Charakter des Hauptprotagonisten Thomas
Fisch, denn er hat auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches
an sich. Er ist kein durchgestylter "Möchtegernheld" und verfügt
über kein nennenswertes Äußeres. Durch die Ich-Perspektive
kann der Leser sich leicht in die Gedanken und Erlebnisse des Erzählers
Thomas Fisch hineindenken und sich ohne Mühe mit ihm identifizieren
- das macht den Helden sympathisch und läßt den Leser die Handlung
durch die Augen des Erzählers hautnah miterleben.
Die Art und Weise der Erzählung ist dabei sehr ungewöhnlich.
Weder trivial, noch abgehoben - und immer fesselnd. Lose Gedankensplitter
vermischen sich mit der Handlung, knappe Schilderungen mit genauen.
Die Handlung ist nie allzu leicht vorhersehbar und wenn sie es wird, dreht
sie sich plötzlich in eine vollkommen andere Richtung. Vergleichbar
mit einem riesigen Puzzle, welches schon zusammengesetzt scheint, das
aber nach einer Weile trotzdem nicht das richtige Bild ergibt. Und kaum
stellt sich beim Leser trügerische Gewißheit ein, wird das
Puzzle immer wieder auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Dabei
gelingt es dem Autor, die Fäden der Handlung nicht in ein bodenloses
Nirwana abgleiten zu lassen, sondern Geschichte und Leser gleichsam festzuhalten.
"Der Tote in der Ming-Vase" hat keine durchschaubare und sehr spannende
Handlung. Sie bietet einen sympathischen Helden, der zusammen mit dem
Leser ein Puzzle von Intrigen, Verschwörungen und Mord aufklärt.
Und auch diese Erkenntnis möchte ich nicht verschweigen: China war
für mich immer faszinierend und manchmal romantisch verklärt,
jetzt ist es immer noch faszinierend, abstoßend und gleichermaßend
anziehend.
Zum Schluß tat es mir leid, mich von Thomas Fisch verabschieden
zu müssen. Er hat mich mitgenommen in eine fremde Kultur, in die
Abgründe des menschlichen Selbst und mich wohlbehütet zurückgelassen
mit einer Aussicht auf zahllos treibende Dschunken die auf mich zu treiben
und andere, die gegen den Horizont ziehen. Nein, Thomas Fisch, auch ich
weiß kein schöneres Ende als Du.
besprochen von Gabi Scharf
"Der Tote in der Ming-Vase"
von Jakob Anderhandt ist im Verlag Frieling & Partner GmbH erschienen.
DM 19.80 - ISBN 3-8280-1286-8
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