Lord Gamma

von Michael Marrak.

Die Straße ist schnurgerade. Auf ihr befindet sich ein Auto, das keinen Motor mehr braucht - denn die Straße geht stetig bergab. Im Auto befindet sich ein Mann, der auf der Suche nach seiner Frau ist. Das Problem: im Bunker, der abseits der Straße gelegen ist, findet Stan Ternasky nur ihren Klon.

Er holt den Klon aus dem Bunker, fährt mit ihm weiter bergab in seinem alten Pontiac, bis er seine geklonte Ehefrau plötzlich erschießt. Das Auto rollt weiter... passiert eine unsichtbare Barriere. Und das Auto befindet sich erneut auf einer abschüssigen Straße. Umrahmt von einer Landschaft, die sich alle 180 km stets wiederholt und ewig gleich aussieht. Jede Landschaft hat ihren Bunker, in dem eine kleine Hundertschaft geklonter Menschen lebt, die sich allesamt für Überlebende eines atomaren Krieges halten. Und Stan muß endlich den richtigen Klon finden - denn die Stimme des Moderators im Autoradio erinnert ihn wieder und wieder daran, was er tun muß...

Das Anfangsszenario von "Lord Gamma" könnte kaum surrealer und skurriler sein. Der Leser wird zu Beginn auf eine rätselhafte Welt losgelassen, die ganz offenbar nicht real sein kann und mit ihrer vertrauten Fremdheit fasziniert.

Deutsche Science-Fiction Autoren sind leider eine Seltenheit. Um so erfreulicher ist es, wenn ein Nachwuchsautor einen vielversprechenden Roman veröffentlicht, der endlich auch mal zu Recht den "Kurd Lasswitz Preis" für den besten SF-Roman des Jahres erhalten hat. Michael Marrak spielt gekonnt mit Erzählebenen, verschiedenen Zeitabläufen und der Realität. Die völlig unpassenden Puzzleteile zu Beginn der Geschichte entfalten mit jedem neuen Durchlauf durch die Landschaft mehr und mehr Sinn und bald merkt der Leser, daß das Offensichtliche alles andere als die Wahrheit ist.

Marrak erinnert dabei mit seinen Motiven teilweise an Philip K. Dick, dessen Lieblingsthemen sowohl postnukleare Welten, als auch die Frage nach der Wirklichkeit und vor allem die Frage nach dem, was menschlich ist, waren. Marrak greift diese Themen auf und bastelt daraus ein faszinierendes Universum.

Leider kann Marrak den sehr interessanten Faden nicht ganz bis zum Schluß immer aufrecht erhalten. Man hätte sich nach dem sehr starken Beginn vielleicht ein etwas anderes bzw. originelleres Ende gewünscht. Doch bis dahin versteht es der Autor geschickt, den Leser am Weglegen des Buches zu hindern. Und obwohl große Teile der Geschichte vor stets der gleichen Kulisse spielen entstehen keine monotonen Wiederholungen. Marrak fügt dem Gesamtbild allmählich immer neue und weitere Pinselstriche hinzu, so daß man kaum darauf warten kann, endlich das fertige Gemälde zu sehen.

Daß dieses dann eventuell nicht gar so überwältigend ist wie zuerst vermutet, ist aber letztlich nur ein kleines Manko. "Lord Gamma" ist für SciFi Liebhaber sehr zu empfehlen. Bleibt zu hoffen, daß Michael Marrak nach dem sehr gelungenen Anfang seine Linie fortführt und "Lord Gamma" kein einzelner Glücksgriff war.

[geschrieben von Thomas]

 

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