Illuminati

von Dan Brown.

In der europäischen Kernforschungszentrale CERN wird ein Nuklearphysiker brutal ermordet aufgefunden. Ein merkwürdiges Brandmal prangt auf seiner Brust. Als Experte für Symbologie wird der Harvard Professor Robert Langdon aus den USA hinzugezogen, der untersuchen soll, was es mit dem mysteriösen Brandmal auf sich hat. Schnell stellt sich heraus, daß anscheinend der Geheimorden der Illuminaten hinter dem Tod des Physikers steht. Auf der Suche nach dem Grund für den Mord findet man im Labor des Physikers die schreckliche Ursache: der Physiker hatte zusammen mit seiner Tochter Hochenergieexperimente am Teilchenbeschleuniger von CERN durchgeführt und dabei größere Mengen Antimaterie erzeugt. Der Behälter mit der größten Menge fehlt, das batteriebetriebene Magnetfeld des Transportbehälters hält genau für 24 Stunden, ehe die Antimaterie mit normaler Materie in Kontakt treten und nach der bekannten Formel E= MC2 zu einer gewaltigen Explosion führen wird. Zeitgleich wird im Vatikan das Konklave, das einen neuen Papst wählen soll, vorbereitet, als plötzlich auf den Sicherheitsmonitoren der Schweizergarde das Bild eines Zylinders auftaucht, an dem eine Digitalanzeige offenbar einen Countdown herunterzählt. Und warum werden plötzlich die vier aussichtsreichsten Kandidaten auf eine Papstwahl vermißt? Ein Wettlauf gegen die Zeit nimmt seinen Anfang, als Robert Langdon und Vittoria Vetra, die Tochter des toten Nuklearphysikers, versuchen, den gestohlenen Antimateriebehälter rechtzeitig im Vatikan zu finden und den Illuminaten auf die Spur zu kommen, die anscheinend hinter allem stehen.

Was sich vielleicht anfangs wie die Prämisse zu einem SF-Roman anhört, entpuppt sich sehr schnell als tempogeladener Thriller, der Verschwörungstheorien, Wissenschaftsgeschichte und Kunsthistorik zu einem unterhaltsamen Mix zusammenbringt. Autor Dan Brown hat zusammen mit seiner Ehefrau Blythe ganz offensichtlich sehr viel über den Illuminatenorden, den Vatikan und römische Kunstwerke recherchiert, was eindrucksvoll, aber nie als Selbstzweck, während des Romans immer wieder bewiesen wird. Browns Sachkenntnisse tragen dazu bei, daß der Vatikan mit all seinen Geheimnissen und seiner Pracht vor dem inneren Auge greifbar wird.
Zugegeben, die Charaktere sind bei Illuminati Nebensache. Charakterentwicklung oder gar Introspektive findet so gut wie gar nicht statt und einer der Hauptschurken, ein arabischer Assassine, der die vier Kardinäle im Auftrag der Illuminaten entführt hat, ist nicht viel mehr als ein zweidimensionales Abziehbild, weil er ein durch und durch böser Schurke ohne aufgezeigte Motivation oder Erklärung ist. Warum Illuminati trotzdem so unterhaltsam ist, liegt am hohen Tempo der Geschichte und Browns Geschick, die Spannung und Rätsel konstant auf einem hohen Niveau zu halten. Schnell ertappt man sich dabei, daß man noch diese eine nächste Station auf der Schnitzeljagd lesen will, dann die nächste und die nächste und nächste… Es fällt schwer, den Lesefluß von Illuminati zu unterbrechen, weil, trotz aller Schwächen bei der Charakterisierung, die dominierende Handlung unerbittlich das Buch vorantreibt und der Leser nach einer Weile zwangsläufig zu grübeln beginnt, was nun bei Brown Fiktion und was Realität sein könnte. Hinzu kommt der geschickte Kniff, die gesamte Handlung des Romans auf etwa einen halben Tag zu komprimieren, was die Spannung enorm verdichtet und keinerlei Raum für Abschweifungen läßt.
Brown streut dann auch noch hier und da Fragen zum Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft ein und beleuchtet den jahrhundertealten Konflikt aus Sicht der Charaktere. Brown vermeidet es dabei, allzu simplistische Ansichten zu übernehmen und deutet auf eine versöhnliche Ansicht, die versucht, Religion und Wissenschaften zu vereinen. Letztlich bleibt es aber dem Leser überlassen, sich einen Standpunkt zum Konflikt zu überlegen.
Dessen ungeachtet ist Illuminati trotzdem weit davon entfernt, wirklich anspruchsvolle Lektüre zu sein. Dafür brilliert Browns Roman bei der Spannung und bedient Anhänger von geheimen Verschwörungen ohne dabei aber dem Lockruf abstruser Theorien zu erlegen, denn Brown stellt seine Verschwörung auf durchweg historisch erklärbare und nachvollziehbare Beine, was so manchen Leser gewiß veranlassen wird, selber etwas nachzuforschen.
Illuminati ist damit die ideale Spannungslektüre für lange, schlaflose Nächte. Auch für Leser, die bei Antimaterie bisher nur die Augen gerollt und an Raumschiff Enterprise gedacht haben. Browns Illuminati erinnert von der Form her am ehesten an die derzeit ausgestrahlte Serie "24", bei der Agent Jack Bauer in Echtzeit einer Atombombe in Los Angeles hinterherjagt. Wobei Browns Buch ein paar Jahre vor 24 entstand. Thrillerfreunde werden auf jeden Fall ihren Spaß bei Dan Brown haben.

[geschrieben von Thomas]

 

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