"Geblendet: Der Fall Prof. Dr. Tergau. Protokolle einer Tragödie in Deutschland."

von Rochus Castner

Engelsbach b. Frankfurt: Fouqué, 1999.

Das ist weder etwas für den einen oder anderen verfassungstreuen Kommissar der Öffentlich-Rechtlichen, noch für den kettenrauchenden Phil Marlowe oder die philosophisch vorgebildete Anja Abakowitz! An einem Dienstagmorgen sehen ihn die beiden Schulkinder erneut, den "Herrn Professor", wie er über das Steuer seines weißen Mercedes gebeugt an der Straßenkreuzung betet. Bis der Motor aufbrummt, der Asphalt unter den Reifen knirscht und der Wagen an ihnen vorbei in die nahegelegene Unterführung braust. Von dort hört man Bremsen, einen schrillen Aufschrei, Blech und Glas. Nachdem der Unfallwagen eingetroffen ist, werden aus dem Mercedes der vom Schock gelähmte Professor und unter dem Auto hervor seine tote Frau gezogen.

So weit alles tragisch, aber in Ordnung. Ins Krankenhaus eingeliefert sagt der Professor weiter nichts (= Schock), doch die medizinischen Instrumente sagen auch nichts (= kein Schock). Ab da beginnt die Ermittlungsarbeit der Polizei. Immer noch sind Rudi und Sandra, die beiden Schulkinder, einzige Zeugen. Und sie werden es bleiben.

Sowohl den Tathergang als auch die Aktivitäten der Polizei schildert Castner in einer klaren, nüchternen, bis hin zu äußerster Sachlichkeit getriebenen Sprache. Gleiches gilt für den Prozeßverlauf. Trotz dieser Vorgaben gelingt es dem Autor aber auch, mit subtilem Humor die menschlichen Züge seiner Figuren darzustellen: Während der Verhandlung die Aufregung und Unbeherrschtheit des jungen Staatsanwaltes, um dessen ersten Prozeß es sich handelt. Die Gerissenheit und Egozentrik Tergaus, der darauf aus ist, Öffentlichkeit und Medien auf seine Seite zu ziehen. Die Gespaltenheit der Kriminalbeamten, die zwischen einer Klärung der Beweislage und der psychischen Schonung ihrer Zeugen, der beiden Schulkinder, ständig abwägen müssen.

Über knapp hundertfünfzig Seiten ergibt sich auf diese Art ein Stück Kriminalliteratur, wie sie gerade nicht im Bilderbuch steht, sondern sie selbst der leidenschaftslose Beobachter des tatsächlichen Falles nicht besser hätte schreiben können. Planung, Durchführung und Folgen eines Mordes an der eigenen Ehefrau - wie sieht so etwas in der Bundesrepublik Deutschland aus? Wozu handelsübliche Krimis, Fernsehspiele und die Presse schweigen, Rochus Castner sagt es.

[geschrieben von Jakob Anderhandt]

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