"Eine Billion Dollar"

von Andreas Eschbach

Lübbe, 2001.

Andreas Eschbach, der vor allem durch sein Buch "Das Jesus Video" bekannt geworden ist, baut seinen neuen Roman auf eine recht interessante Idee auf: was würde passieren, wenn jemand ein Vermögen von sage und schreibe tausend Milliarden Dollar erben würde? Selbst der reichste Mann der Welt kommt auf vielleicht 50 bis 60 Milliarden Dollar Vermögen. Um so verständlicher ist es, daß John Fontanelli, Sohn eines Schuhmachers in New York, aus allen Wolken fällt, als ihm die Nachlaßverwalter möglichst behutsam an die Tatsache heranführen, daß er von nun an Besitzer von einer Billion Dollar in Bar ist.

Das Vermögen wurde von einem Vorfahren der Fontanellis vor 500 Jahren in Florenz begründet, als eine eigentlich recht bescheidene Summe hinterlegt wurde mit der Bedingung, es 500 Jahre lang zu verwalten und anzulegen, so daß es durch Zins und Zinseszins stetig anwuchs bis zum Stichtag an dem die Summe dem jüngsten männlichen Nachfahren der Fontanelli-Familie übertragen werden soll. Doch wie überall gibt es auch hier einen kleinen Haken. Der Fontanelli-Ahn hat zusammen mit seinem astronomisch angewachsenem Vermögen auch ein Testament hinterlassen, das eine Prophezeiung beinhält: so soll der Erbe des Vermögens mit der gewaltigen Geldsumme der Menschheit ihre verlorene Zukunft wiedergeben...

Andreas Eschbach läßt seinen Helden sozusagen über Nacht in die Welt der Superreichen, Hochfinanz und Bankenspielereien plumpsen. Heute noch armer Pizzalieferant, der nicht mal mehr seine Miete zahlen kann, sieht er sich am nächsten Tag mit der Tatsache konfrontiert, mehr Geld zu besitzen als die meisten Staaten dieser Welt überhaupt jährlich erwirtschaften.

Das Buch führt zuerst auf knapp 200 Seiten sowohl John Fontanelli als auch den Leser in die Welt der Superreichen ein, es werden Ferrari gekauft, Luxusjachten, teure Maßanzüge, es wimmelt von Reportern, die alle natürlich mehr über den Supererben wissen wollen, bis die Geschichte eine Wendung nimmt. Ein unbekannter Anrufer teilt John Fontanelli mit, er wisse, was es mit der Prophezeiung auf sich habe und wie man sie umsetzen kann. Fontanelli trifft den geheimnisvollen Fremden und beginnt seinen Thesen zu glauben. Fortan wird versucht, mit der Billion Dollar den Kurs der Welt zu verändern. Es werden Firmen aufgekauft, ein Imperium globalen Ausmaßes entsteht und all das nur, um zu versuchen, den selbstzerstörerischen Trieb der Menschen zu unterbinden. Den Raubbau an Natur und Ressourcen einzustellen und die Umwelt zu retten.

Das Buch begibt sich nach dem recht langen Einstieg damit in die Welt der Banken, der Hochfinanz und des Umweltschutzes und nimmt dabei einen recht kritischen Ton ein.
Andreas Eschbach hat sehr intensiv recherchiert und einige Zusammenhänge im Finanzwesen und die Machtverflechtungen des Geldes werden gut aufgedeckt. Doch der Roman kann nicht wirklich begeistern. Dafür fehlt es an plausiblen Motivationen der Charaktere und es mangelt vor allem an einer mitreißenden Geschichte. Zwar wird John Fontanelli als Erbe recht gut charakterisiert, aber wirklich interessieren können einen die inneren Konflikte nicht, die Eschbach aufzubauen versucht. So manches im Buch wirkt konstruiert und erzwungen. So z.B. die Tatsache, daß noch unmittelbar vor dem Stichtag des Erbes es einen anderen jüngsten männlichen Nachfahren der Fontanellis gegeben hat, der dann jedoch plötzlich durch einen angeblichen Unfall stirbt. Die Gewissensbisse und die Zweifel John Fontanellis, ob er überhaupt der rechtmäßige Erbe ist und ob er überhaupt in der Lage ist, die Prophezeiung zu erfüllen, ziehen sich daraufhin wie ein roter Faden durch den Rest der Geschichte.

Auch die Romanze zwischen Fontanelli und einer deutschen Journalistin wirkt arg konstruiert und holprig. Ohne größere Erklärung oder auch nur emotionale Annäherung wird eine Liebe übereilt herbeigeschrieben, die gerade in den etwas intimeren Szenen aufzeigt, daß Eschbach hier wohl noch etwas üben muß.
Hauptschwäche im Buch ist aber vor allem die Ohnmächtigkeit von John Fontanelli, er ist zwar die bestimmende Figur, bleibt aber nie mehr als Spielball der Handlung. Er wirkt trotz seiner Bedeutung eher wie ein hilfloses Anhängsel der anderen Charaktere und der Handlung, die unerbittlich dahinplätschert und keine echten Höhepunkte setzen kann. Und der Leser bleibt dabei so hilflos wie der Held der Geschichte.

In manchen Passagen wirkt das Buch auch wie eine zusammenkonstruierte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, der Macht des Geldes, dem Finanzwesen, dem Steuerwesen, der Globalisierung und der Umweltzerstörung. In solchen Passagen scheint das Buch direkt die Quellen zu zitieren, die Eschbach recherchiert hat und es wirkt mehr wie ein Schüleraufsatz aus der Oberstufe als ein Roman - auch wenn die Thesen durchaus zum Nachdenken anregen.

Größtes Ärgernis ist vor allem das Ende des Buches. Ohne zuviel zu verraten muß leider gesagt werden, daß sich bei mir nach dem letzten Satz das Gefühl eingestellt hat, die etwas mehr als 700 Seiten zuvor völlig umsonst gelesen zu haben. Die Art und Weise wie John Fontanelli kurz vor Ende des Buches die Prophezeiung umsetzen will, nachdem er erkannt hat, daß das, was all die vielen Seiten zuvor getan wurde, völlig falsch war, ist dermaßen trivial und wohl auch einfältig - angesichts der realen Welt - daß man das Buch beiseite legt und sich fragt, was das alles nun eigentlich sollte.

Genauso ärgerlich ist das Ende von John Fontanelli selbst. Es kündigt sich schon etliche Seiten vorher an und der Leser kann nichts dagegen tun, allenfalls aufhören zu lesen. So etwas wie Spannung oder Überraschung kann nicht aufkommen, wenn man schon Seiten vorher weiß, wie die Sache ausgehen wird.
So bleibt festzuhalten, daß "Eine Billion Dollar" Andreas Eschbach gewiß viel Arbeit gekostet hat, viel Recherche, und das läßt Eschbach auch immer wieder durchscheinen. Es hätte aber gut getan, etwas mehr Aufmerksamkeit der Handlung als solches zu widmen die sich teils langweiliger und völlig ausgelutschter Klischees bedient und vor allem den Eindruck hinterläßt viel zu lang zu sein.
Das wenige, was Eschbach wirklich zu erzählen hat, braucht keine 700 Seiten und mehr, ein Drittel oder die Hälfte davon hätte es auch getan.

Schade eigentlich. Gewiß hätte die Idee das Zeug dazu gehabt, einen interessanten und originellen Roman zu liefern. Auch die diversen Theorien zur Umstrukturierung des Finanzwesens werden interessant aufbereitet. Doch letztlich werden einem im Buch genau die Bilder präsentiert, die man aus solchen Serien wie "Denver Clan" oder "Dallas" kennt, es fehlt dann an Signifikanz und am allermeisten an Originalität. Und an den Stellen, wo Eschbach versucht, so etwas wie einen tieferen Sinn einzubauen, wirkt es wie zitiert und etwas arg moralisch.

Als nette Unterhaltung zwischendurch kann das Buch an verregneten Sommertagen herhalten. Manches im Buch regt sogar zum Nachdenken und Hinterfragen an. Eschbach ist gewiß ein talentierter deutscher Autor mit sehr interessanten Ideen für seine Geschichten. All das kann aber leider nicht die Mängel in der Handlung ausgleichen. Und das Ende des Buches ist sehr schwach geraten, was den Eindruck nachhaltig trübt.

[geschrieben von Thomas]

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