"Bielefeld - Burano & retour"

Kriminalroman von Hans Dieter Mummendey

Bielefeld: Neues Literaturkontor, 1996.

Ist die Ehe glücklich, ja, warum denn nicht? Mit über fünfzig liebt es sich eben anders. Mit dem Alter wächst das Bedürfnis nach Sicherheit, und nur auf ein stabiles Fundament gebettet lassen sich amouröse Extravaganzen noch ertragen. Ein namenloser Studienrat - wie wär's, wir nennen ihn Mummendey? - hat das erkannt. Er und seine Frau gönnen sich wechselseitig ihr Affärchen, und gibt's mal Probleme, ist guter Rat leicht zu haben. Sind aber auch die Affären glücklich? Dazu Mummendey: "Ich weiß nicht, aber irgendwie hat Kornelia es raus, daß ich immer wieder auf den verdammten Vergleich mit meiner Frau komme."

Wir befinden uns in Venedig. Die Stadt mag zwar schön sein, aber Kornelia, einst attraktive Seminarschülerin, ist zuviel. Ihr hektisches Wesen, vor allem aber ihre Sticheleien, Mummendey solle sich endlich scheiden lassen, treiben den genußverliebten Beinahe-Greis in den Wahnsinn. Beim Picknick am Kanal ist es soweit: "Ein Schlückchen Lagunenwasser wird dich ja nicht gleich umbringen ..." Außer sich über die Bosheit, während einer neuen Auseinandersetzung statt Sekt die graugrüne Flüssigkeit angeboten zu bekommen, trinkt Kornelia tatsächlich, röchelt kurz und kippt zur Seite weg in die Ewigkeit. Schnell ist die Todesursache festgestellt:
In einem Totenschein zum Ankreuzen ist es das Kästchen bei Herzversagen. Wozu der geschäftstüchtig-nüchterne Bruder Kornelias am Telefon allerdings meint, das sei für die Leute da unten "schließlich das Einfachste", um sich die Kosten für eine Obduktion zu sparen. Die Leiche geht somit nach Deutschland, und neben der kritischen Bemerkung des Anverwandten bleiben die Bedenken von Ehefrau Ingrid, wegen derer sich Mummendey noch ein zweites Mal in Richtung Italien aufmacht. Auf dieser Fahrt lernt er Claudia kennen.

Weiterhin skurril, mit viel Selbstironie und ganz im Jenseits der angelsächsischen Tradition nimmt der Fall seinen Lauf. Geschickt in die Haupthandlung eingeflochten sind dabei Ereignisse, die das Erzählte zum Buch werden lassen. Und trotz einer Handvoll Brüche, bei denen Mummendeys Neigung zum Fabulieren die Spannung in Hirngespinste zerfransen läßt, fügt sich nach dieser zweiten Reise alles derart paradiesisch-furchtbar, daß von Fahrten und Verwicklungen einiges mehr übrigbleibt als nur platte Verblüffung.

[geschrieben von Jakob Anderhandt]

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