Flügel aus Glas

von Anneliese Wipperling

Flügel aus GlasVulkanier und Gedichte, Storys, gute Reportagen ... Kunst? Gibt es das überhaupt? Jeder weiß doch, dass die "Spitzohren" gefühllos und völlig unkreativ sind! Ganz so simpel ist es nicht!

Dieser Band vereinigt sieben Autoren der Turuska, einer nationalen Minderheit auf Vulkan, die ein autonomes Gebiet in der südlichen Wüste bewohnt.
Dieses Volk ist nicht der Meinung, dass man alle Gefühle verstoßen muss, hält Geschichten oder Lieder nicht für unlogischen Gebrauch der Sprache, liebt und achtet seine Dichte sehr.

Es erübrigt sich, die Autoren dieses Bandes näher vorzustellen. Das haben bereits Freunde, Verwandte und Bindungspartner auf ehrliche und liebevolle Weise getan.
Manch einer wird sich wundern, dass auch Tagebuchaufzeichnungen, Reportagen und Essays aufgenommen wurden, aber das hat einen wichtigen Grund: Es sind wesentliche, ausgezeichnete und ehrliche Arbeiten, die einen tiefen Einblick in das Denken und Fühlen der Turuska gewähren.


Farbcover: Adriana Wipperling
Illustrationen: Anneliese Wipperling
Seitenzahl: 208 Seiten DIN A4
Preis: 12,80 EURO
Altersbeschränkung: ab 18 Jahre (Ausweiskopie beifügen!)
Bezug: Star Trek Forum

Kontakt:
Uschi Stockmann
Otto-Heinrichs-Straße 6
38442 Wolfsburg
uschi@st-forum.de

Bei Storyline von der Autorin erschienen: "Die Parias der karminroten Stadt"


Leseproben:

In der Fremde

Morgens immer
reisen die bleichen
schreienden Vögel...
mit Schwingen aus Messern
verwunden sie täglich
Sonne und Mond...

Ach du mein Schiff
aus uralter Seide!
Tage wie Fische,
schleimig, glotzäugig
und kalt,
zernagen allmählich
die rettenden Inseln.

Ach du mein Schiff
mit gläsernen Segeln,
trag mich weit weg,
wo das Meer aus Sand ist
und die Lematyas
sich heulend paaren.

Ach du mein Schiff,
beladen mit Hoffnung:
Halte stand!
Versinken will ich erst dort,
wo hohe, lautlose Feuer,
rein und weiß
aufflammen
in der sterbenden Nacht.

Gattor aus dem Hause Elmar
(Übersetzung aus dem Vulkanischen von Anneliese Wipperling)


Kastanienallee

Du gehst
rückwärts gewandt.
Die weißen Kerzen
über dir
siehst du nicht
brennen.

Kannst nicht begreifen
Wie schön deine Erde ist...
Merkst nicht einmal
daß ich neben dir gehe...
zusehe, zuhöre...
all dein sinnloses
unlogisches Geschrei!

Mit jedem Wort
wirst du blasser
und kleiner
für mich.
Bald wird
Blütenschnee
dich zuschütten.

Kann sein
ich zertrete dich dann
wenn ich
die Allee
entlang gehe
den Blick
in die Ferne
wo Wald
blau aufragt
und singt.

T'Liza aus dem Hause Boras
(Übersetzung aus dem Vulkanischen von Anneliese Wipperling)


Auszug aus der Story "Fiora":

Es war später Nachmittag. Fiora sah andächtig zu, wie der Himmel sich langsam grünlich färbte. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er einen Sonnenuntergang in der offenen Wüste erleben: keine enge, stickige Baracke voller Ausdünstungen geschundener Körper, kein Geruch nach verdorbenen Essenresten und Fäkalien, keine formlose Dunkelheit ... keine ... doch ... da waren Fesseln aus Draht eng um seine Hände und Füße gewickelt ... Fesseln, die schmerzten, die man nicht zerreißen konnte ... die sicher verhindern würden, dass er einen Brunnen erreichen konnte ... oder fliehen, wenn die Lematyas ...
Trotzdem war diese Klarheit und Schönheit einfach überwältigend: Ein wildes, leidenschaftliches Farbenspiel aus Grün und Purpur ... und dann diese Weite ... die sanften, harmonischen Wellen aus Sand, faszinierend geschwungenen Linien, kühlen, violetten Schatten ... und der Wind sang die ganze Zeit leise. Es klang wie die flüsternde Stimme T'Rulars, seiner anmutigen, traurigen Wahlmutter.
Fiora dachte nicht an das, was unweigerlich kommen würde: die beißende Kälte der Nacht auf seiner nackten Haut, die scharfen Zähne der hungrigen Räuber der Wüste und – falls er das alles wider Erwarten überlebte – die gefräßige Mittagssonne des nächsten Tages.
„Ich werde hoffentlich noch da sein, wenn die Sterne zum Greifen nah funkeln, T'Khuth über den Horizont rollt und die rote Lava aus ihren Vulkanen quillt. Ich will endlich mit eigenen Augen erblicken, wovon die alten Männer und Frauen manchmal leise mit sehnsüchtigen Augen singen. Dann mag der Tod mich auf die eine oder andere Weise holen. Dieses erbärmliche Leben ist es nicht wert ... nein, nachdem ich dieses unglaubliche Gefühl der Freiheit genossen habe, fällt es mir nicht schwer, ohne zu klagen ...
„Ich kann das Weltall nicht mehr wahrnehmen ..." flüsterte plötzlich eine müde, gequälte Stimme. „Ich kann den Sand nicht mehr verdauen ... ich fühle mich schwach und elend ... ich schaffe es nicht mehr nach Hause ..."
„Wo bist du?" fragte Fiora neugierig. „Ich kann niemanden sehen ..."
„Ich bin direkt unter dir.“
„Du meinst, ich liege auf dir und erdrücke dich?“ fragte Fiora erschrocken und wälzte sich mühsam zur Seite. Etwas wie ein lautloses, unsichtbares Lächeln war die Antwort. „Zwischen dir und mir liegen sieben Meter Sand", flüsterte es im Geist des jungen Mannes. „Und ich bin größer als du ... viel größer!"
„Was bist du?“
„Unsere Freunde, die Turuska, nennen uns die A'Kweth, die Verborgenen, die in der Tiefe leben. Sie haben uns vor den Barbaren gewarnt, aber ich war nicht schnell genug – eine Fusionsbombe ..."
„Er ist verletzt ..." dachte Fiora besorgt, „und ich kann ihm nicht helfen. Womöglich bin auch ich in Gefahr, wenn die Bombe ... T'Kruna ist, eine Bestie!"
„Nein", beruhigte ihn das fremde Wesen. „Ich zog so schnell ich konnte weiter. Wir sind viele Meilen vom Ort der Explosion entfernt. Aber die Strahlenverseuchung ... sie tötet mich langsam."
„Hast du einen Namen, damit ich für dich singen kann?“
„Ahrasss ... ich heiße Ahrasss ...“
„Ahrasss in der Tiefe ..." murmelte Fiora sanft, „mein letzter Freund ..."

Warun aus dem Hause Boras
(Übersetzung aus dem Vulkanischen von Anneliese Wipperling)

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