Star Trek - Defender, Band 2: "Schonungslose Wahrheit"

von Adriana Wipperling

Star Trek - Defender, Band 2: 'Schonungslose Wahrheit'Wie weit kann man mit dem Strom schwimmen, ohne sich selbst zu verraten? Welchen Preis darf man für die eigene Sicherheit zahlen? Auch Glin Belora Karthal stellt sich diese Fragen. Wegen einer kritischen Meinungsäußerung landet sie auf der Kal Ranor, einem Schiff, das als inoffizielle Strafkolonie für unbequeme Militärangehörige gilt. Dort erlebt sie die Schattenseiten des Systems, dem sie bisher treu gedient hat. Der sexuellen Obsession ihres Vorgesetzten ausgeliefert, beginnt für Karthal eine schlimme Zeit der Erniedrigung und Folter. Die einstige Karriereoffizierin schlägt sich endgültig auf die Seite der Unterdrückten und Entrechteten ihres Volkes. Mit ihrer Entscheidung, als Austauschoffizier bei Sternenflotte unter einem bajoranschen Captain zu dienen, sorgt die Cardassianerin für beträchtlichen Wirbel. Als sie ihrem eigenen Sohn auf den Leim geht und nach Cardassia reist, werden sie und ihr Mann vom "Wahren Weg" entführt. Ein alter Bekannter von der Kal Ranor konfrontiert sie brutal mit ihrer Vergangenheit. Doch dann geschehen äußerst merkwürdige Dinge – und Karthal bekommt eine Chance zu überleben...


Farbcover: Adriana Wipperling
Illustrationen: Adriana und Anneliese Wipperling
Seitenzahl: 180 Seiten DIN A4
Preis: 11,50 EURO
Altersbeschränkung: ab 18 Jahre (Ausweiskopie beifügen!)
Bezug: Star Trek Forum

Kontakt:
Uschi Stockmann
Otto-Heinrichs-Straße 6
38442 Wolfsburg
uschi@st-forum.de

Bei Storyline von der Autorin erschienen: "Eine für Alle"


Leseprobe:

Sie stand im Turbolift der Kal Ranor. Sie wollte zur Brücke... zum Shuttlehangar... zum Offizierskasino... zu ihrem Quartier... eigentlich hatte sie längst vergessen, wohin sie wollte. Es spielte auch keine Rolle, denn in diesem Lift gab es keine Kontrollkonsole, kein Com-Pult... und keine Tür. Vielleicht hatte sie ihr ganzes Leben hier drin verbracht: in einem schmucklosen engen Raum auf der Fahrt ins Nirgendwo... ohne Ausgang... ohne, daß sie das Ziel bestimmen konnte. Aufwärts? Abwärts? Horizontal? Im Kreis?
Dann erschien plötzlich eine flirrende Säule vor ihr und verdichtete innerhalb weniger Sekunden zu Gul Lemak, der sein übliches Grinsen aufsetze.
"Na, meine Liebe? Haben Sie sich schon eingelebt?"
"Wie sollte ich mich hier einleben? Das hier ist das Nichts!" gab sie zurück.
Lemak grinste noch breiter. "Richtig. Hier gehören Sie hin."
"Möglicherweise", erwiderte sie. "Vielleicht finde ich aber auch hier raus – und zwar auf die gleiche Weise, wie Sie hereingekommen sind."
"Das bezweifle ich!" Lemak lächelte abfällig.
Ein unerwarteter Ruck schleuderte sie gegen die Wand, aus der plötzlich Metallgreifarme fuhren und ihre Hand- und Fußgelenke umschlossen.
"Ich glaube, Sie benötigen mal wieder eine Lektion", bemerkte Lemak. "Sie sind ein sehr widerspenstiges Mädchen, Belora..."
Die Decke riß auf und ein gleißendes bläuliches Neonlicht brach durch den Spalt, verzehrte die Barrieren, die es durchdrang... Das Licht schien sogar die Wände auszubleichen, denn sie färbten sich allmählich weiß... Eine Woge von Ekel schlug über ihr zusammen, als Lemaks Hände provozierend langsam unter ihre Kleidung krochen... Sie spuckte ihm ins Gesicht.
Aus der gegenüberliegenden Wand schossen hunderte winziger Nadeln und durchbohrten ihren Körper. Lemak beobachtete mit einem hämischen Grinsen, wie sie sich vor Schmerzen wand. Sie schloß die Augen, doch die grausame, weißglühende Realität durchtränkte ihr Innerstes.
Als sie die Lider hob, war Lemak nicht mehr dort. Glin Madred erschien an seiner Stelle. In dem harten, weißblauen Licht wirkte sie wie eine Geistererscheinung. Sie umklammerte einen Hebel, der aus der Wand ragte, und zu Anfang noch nicht dort gewesen war.
"Es gab eine Zeit, in der Ihr Stern im Steigen begriffen war, Karthal... Aber jetzt können Sie nur noch fallen", sagte sie und drückte den Hebel bis zum Anschlag durch.
Mit einer horrenden, atemberaubenden Geschwindigkeit stürzte der Lift in die Tiefe. Karthal kniff ängstlich die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, stellte sie fest, daß der Fußboden durchsichtig war und den Blick auf einen endlosen, dunklen Abgrund freigab. Mit der Zeit konnte sie eine Gestalt am Boden des Fahrstuhlschachts ausfindig machen. Es war Jorel, ihr Ehemann... Wie immer hielt er eine halb volle Flasche Kanar in der Hand und döste vor sich hin.
"Jorel!" brüllte sie und versuchte vergebens, sich von ihren Fesseln zu befreien.
Doch er hörte sie nicht. Sie nahm an, daß der Turbolift schalldicht war. Oder Jorel war schlicht und einfach zu besoffen, um sie zu verstehen.
Und der Lift raste unaufhaltsam tiefer...
In diesem Moment wachte sie auf. Mit zitternden Händen strich sie sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, atmete mehrmals tief durch und wartete darauf, daß ihr Herzschlag sich beruhigte. Dann befahl sie dem Computer, gedämpftes Licht einzuschalten.
Sie lag vollständig angekleidet auf der Couch in Inaran Matars Quartier. Am Abend zuvor hatten sie sich stundenlang unterhalten, hauptsächlich amüsante Anekdoten ausgetauscht und Inarans Kanar-Vorräte erheblich dezimiert. Der Kanar schien tatsächlich von hoher Qualität zu sein, denn Belora spürte keinerlei Nachwirkungen, obwohl sie und Inaran zusammen ganze drei Flaschen geleert hatten.
Sie versuchte, die schönen Augenblicke in ihrem Gedächtnis festzuhalten, doch sie wurden unweigerlich von anderen Erinnerungen verdrängt... Ein ovaler Bildschirm an einem öffentlichen Gebäude... das nichtssagende Gesicht irgendeines Guls, der im Brustton der Überzeugung verkündete, daß kein Bürger Cardassias Grund hatte, um seine Sicherheit zu bangen... War ihr dieser Spruch dermaßen ins Blut übergegangen, daß sie schon begonnen hatte, ihn ernst zu nehmen? Inzwischen wußte sie es besser.
Niemand war hier in Sicherheit.
Andererseits lebte sie immer noch. Sie hatte einige furchtbare Tage hinter sich und war degradiert worden und ein perverser Gul stieg ihr nach... doch letztendlich war sie lebend und körperlich unversehrt davongekommen. Aber Raikana Delor hatte nicht so viel Glück gehabt... Inaran sicher auch nicht... oder Kajel... oder so viele andere.
Verdiente es ein Staat, der seine eigenen Bürger terrorisieren ließ, überhaupt, geschützt zu werden? Waren Ruhe und Ordnung es wert, daß so viele Unschuldige gequält wurden?
Den Herren der Maschinerie waren offenbar die Feinde ausgegangen, wenn sie jetzt ihre Untergebenen verfolgten... Aber dieses System brauchte Feinde... Sie waren lebensnotwendig... als Rechtfertigung, um das Volk zu überwachen, drastische Strafen für unbedeutende Delikte zu verhängen, sämtliche verfügbaren Staatsgelder in die Rüstungsindustrie zu stecken, Steuern zu erhöhen... Gäbe es keine Feinde mehr, hätte die Herrschaft des Zentralkommandos ihre Berechtigung verloren... das Volk würde das sehr schnell begreifen und sich erheben...
Kajel hatte recht: Bajor war nicht besetzt worden, weil das cardassianische Volk Lebensraum oder Rohstoffe brauchte... Sicher, die Cardassianer hatten vor hunderten von Jahren ihren Planeten weitestgehend ruiniert und seine Ressourcen verbraucht... Aber die Galaxie war voll von unbewohnten Klasse-M-Planeten, deren Klima zum Teil viel wärmer und angenehmer war als das Bajors... Doch das cardassianische Militär unterdrückte die Bajoraner... diese setzten sich zur Wehr... haßerfüllte bajoranische Terroristen töteten Männer, Frauen und Kinder... und ein neues Feindbild war geboren. Nun, seit es kaum noch Pazifisten und Demokratiefanatiker gab, die man nach effektvollen öffentlichen Prozessen einsperren und hinrichten konnte... Und wenn Dukat auch noch gezwungen wurde, von Bajor abzuziehen, blieb den Herrschenden wohl nichts weiter übrig, als das eigene Militär zu säubern, um den Kampfgeist und den Haß ihrer Anhänger aufrecht zu erhalten... um ihre Gier nach Feindbildern, Schauprozessen, Sensationen, Verschwörungstheorien, Mord und Totschlag zu befriedigen... Das war die gnadenlose Logik dieses Systems... ein Teufelskreis, der Cardassia irgendwann an den Rand des Abgrunds treiben würde... Sie war Militäroffizier, ihre Aufgabe war es, ihre Heimat zu beschützen... Doch wovor? Vor unbescholtenen Cardassianern wie ihr selbst? Konnte sie tatenlos zusehen, wie Cardassia vor die Hunde ging, solange sie dieses Imperium noch als ihre Heimat betrachtete?

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